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< Zurück zur ÜbersichtOpfer fehlender Meinungsfreiheit?
Wiederholt beklagte man sich hier über Auftrittsverbote eines begabten Sängers und vergleicht dieses mit dem Regimegefüge der DDR. Aus den Leserzuschriften geht hervor, dass dies Meinungsunterdrückung und das heutige System schlimmer als die DDR sei. Er wird zum Opfer erklärt. … Schlimmer als die SED-Diktatur war ja nur noch das NS-Regime, wenn ich mich nicht irre? … Jedem Bürgerrechtler, der in der DDR das wahre Gesicht des Regimes kennengelernt hatte, müsste es kalt den Rücken runterlaufen, wenn er seine Erfahrungen verglichen sieht mit rassistischen, antisemitischen, ausländerfeindlichen, reichsbürgerlichen und krudesten verschwörungsfantastischen Äußerungen dieses Mannes. Die schon seit Jahren höchst zweifelhaften Texte und auffälligen Statements sind sehr gut dokumentiert. Dass die beiden Leser diese nicht kennen, ist kaum anzunehmen. Die menschenverachtenden Äußerungen mit den Erfahrungen der Bürgerrechtler der DDR zu vergleichen, verbietet sich einfach. Genau wie jeder andere zur Zeit in Mode gekommene Vergleich heutiger Zeiten mit vergangenen Diktaturen, v.a. mit dem NS-Regime. Nebenbei: Generell gilt, dass eine Demokratie, ein Rechtsstaat das Recht hat, sich zu wehren bzw. nicht alles hinzunehmen hat, was unter dem Deckmäntelchen Meinungsfreiheit daherkommt und doch nur menschenverachtendes Zeugs ist. Übrigens: RTL hat den Mann erst dann aus dem Programm genommen, als dieser die Bitte zum Gespräch zwecks Klärung bestimmter Äußerungen ignoriert hatte. Der Sender hat ihm die Möglichkeit gegeben, sich zu äußern, was er nicht getan hat. Diese Entscheidung kam von keiner staatliche Stelle, sondern ein Privatsender hat von seinem Recht Gebrauch gemacht, zu entscheiden, ob einer bei ihm noch akzeptiert werden kann oder nicht. Der Gefeuerte war es, der in einem Interview mit einem auf den Philippinen lebenden Rechtspopulisten offen gesagt hatte, dass er die Reichweite von RTL genutzt habe, sein Album bekannt zu machen, bei dem er davon ausgehen müsse, dass er nach der Veröffentlichung "nicht mehr die Chance bekomme, bei so einer Show mitzumachen". Dass dieser Mann selbst zu verantworten hat, was er seit Jahren schon von sich gegeben hat und man lange gezögert hatte, daraus Konsequenzen zu ziehen, wird gern übersehen. Er wusste, was er tat.
Haiko Hoffmann, Schwerin, 21.06.2021