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< Zurück zur ÜbersichtGender-Diktat
Bezieht sich auf die Leserbriefe von Edda Witte vom 23. Mai und Rico Peckruhn vom 30. Mai im Wismarer Blitz: Es kann nicht abgestritten werden, dass es das Dritte Geschlecht gibt und entsprechende Personen teils große Probleme damit haben. Ich möchte auch ausdrücklich hinweisen, dass eine Diskriminierung oder Benachteiligung im täglichen Leben nicht stattfinden darf. Es wird jedoch gerne verschwiegen, dass die überwiegende Mehrheit intersexueller Personen sich trotzdem für ein Geschlecht entscheidet. Auch im Rahmen der Studie eines europäischen Forscherkonsortiums (DSD-Life) unter Personen mit einem intersexuellen Syndrom bezeichneten sich von 1.040 Befragten nur zwölf selbst als »intersexuell«, die übergroße Mehrheit kreuzte als Geschlecht »männlich« oder »weiblich« an. »Menschen mit einer Besonderheit der Geschlechtsentwicklung ordnen sich fast immer einem der beiden Geschlechter zu«, so Olaf Hiort, Intersexualitätsexperte an der Universitätsklinik Lübeck. Nach einer Umfrage des Bundesinnenministeriums unter allen 16 Bundesländern, wurde die Möglichkeit sich als »divers« einzutragen, bislang wenig genutzt. Bis zum 30. September 2020 haben insgesamt 394 Menschen den Geschlechtseintrag »divers« gewählt oder den Eintrag offen gelassen. Außerdem wurden 19 Neugeborene als »divers« registriert. Es ist daher eine Tatsache, dass sich 82 Millionen Deutsche in ihrer Sprache nach wenigen Hundert des Dritten Geschlechts orientieren müssen. Laut einer Umfrage nach einer mdr-TV Debatte, sind 86% gegen die Gendersprache. Sprache macht uns Menschen einzigartig. Sie ist Ausdruck unseres Denkens, Empfindens, Fühlens und Handelns. Sie stiftet persönliche und kulturelle Identität – ein Menschenrecht. Sprache wird über die Jahrtausende, also sehr langsam, aber sicher »von unten« neu geformt. Durch unseren Umgang mit den ständigen Zumutungen des Lebens, die wir entweder standhaft zurückweisen oder uns anverwandeln, entwickeln sich Sprache, Charakter und Humor in einem Jeden. Gendern und die sogenannte politisch korrekte Sprache sind insgesamt Sprechweisen, die nicht von der Basis der Sprachgemeinschaft her entstanden sind. Die Gender-Sprachregelungen gleichen denen in diktatorischen und totalitären Systemen, wie von George Orwell bereits in seinem Roman »1984« als »Neusprech« beschrieben. Die ideologischen Absichten der »Geschlechtergerechten Sprache« treten immer klarer zutage. Ist dies schon Wahnsinn, so hat es doch Methode: Lehrpläne von Schulen und Universitäten werden auf die sogenannte Gendergerechtigkeit ausgerichtet, Schüler und Studenten werden unter Androhung von Punktabzug zum Gendern gezwungen (obwohl derlei Forderungen jeder Rechtsgrundlage entbehren), Verlage schreiben Neuauflagen von literarischen Klassikern gemäß der Gender-Ideologie um. Zahlreiche mit öffentlichen Geldern geförderte Leitfäden beten uns vor, wie wir denken, schreiben und sprechen sollen ... Die Behauptung, unsere Sprache sei »ungerecht«, indem sie Frauen benachteilige, ist nicht haltbar. Die Annahme, bei Gruppen- und Sammelbezeichnungen wie »Bürger«, »Verbraucher«, »Radfahrer«, »Professor« usw. seien primär Männer gemeint und Frauen nur »mitgemeint«, ist abwegig. Ebenso abwegig wäre etwa die Umkehrung, wegen des weiblich klingenden Artikels bei »die Person«, »die Geisel«, »die Koryphäe« seien primär nur Frauen gemeint und Männer nur »mitgemeint«. Sammelbegriffe bezeichnen in jeder Sprache gleichberechtigt alle Angehörigen einer Gruppe, vollkommen unabhängig davon, ob sie weiblich, männlich oder sächlich daherkommen (z.B. »das Mitglied«, »das Opfer«). Das biologische oder gar gefühlte Geschlecht wird von diesen grammatischen Formen überhaupt nicht tangiert. Möchten wir wirklich zu Fuß Gehende statt Fußgänger sein, Zeitung Lesende statt Zeitungsleser, ProfessX statt Professor, Mietperson statt Mieter, bezeugende Person statt Zeuge, Steuer*innenzahlern, Bürger*innenmeister*in, Gäst*innen ... und, ist es wichtig, dass Studenten in Studierendenheimen wohnen. Ich denke nicht. Die Wörter Rassisten, Kolonialisten oder Sklavenhändler wurden übrigens nicht gegendert! Wenn Rico Peckruhn fordert, »richtig angesprochen zu werden«, muss ich antworten, dass ich nicht mit Kolleg* statt Kollegen; meine Nachbarn nicht mit Bäuer* statt Bauern und meine Erb* mit Erben angespochen werden möchten. Warum müssen wir die Nationalhymne oder gar die Bibel gendern? Soll man Knabenchöre zwingen Mädchen aufzunehmen? Auch möchte ich keine Stellenanzeigen lesen, wo Abteilungsleiter*innen m/w/d gesucht werden oder »ein*e gute Jurist_in« bzw. »ein*e gut ausgebildete*r Jurist*in« gefragt ist. Paradox auch: Bei dem Versuch, das Geschlechtliche zu neutralisieren, rückt der Sexus erst recht in den Vordergrund. Das Gender-Neusprech produziert in den Schulen nachweislich Stotterer, zerstört jeglichen Redefluss und wurde nicht ohne Grund in Frankreich und Norwegen mittlerweile wieder verboten. Statt sich mit dem Gendern zu beschäftigen, sollten Politiker die wahrlich dringendsten Probleme unserer Zeit anpacken: Erderwärmung, Armut, Raubbau an natürlichen Ressourcen, Ernährung und Trinkwasserknappheit, weltweite Einschränkung von Menschen- und Freiheitsrechten, aufkeimender Nationalsozialismus, Bildungsnotstand, Bedrohung unserer Sicherheit, Forschungsförderung ... Unsere Sprache gehört gleichermaßen allen Mitgliedern der deutschen Sprachgemeinschaft. Sie gehört keiner gesellschaftlichen Microgruppe oder politischen Elite. Achtung und Gleichberechtigung aller Geschlechter findet übrigens nicht im Duden statt. Türkische Frauen dürften aufgrund des fehlenden Genus keine Probleme mit geschlechtergerechter Sprache haben und doch gibt es im Erdogan-Staat keinerlei Gleichstellung – schlimmer noch, die Gewalt gegen Frauen und LGBT-Mitglieder (lesbisch, schwul, bisexuell, transgender) wird offen geduldet. Jeder hat die Möglichkeit im Internet gegen das Gender-Diktat eine entsprechende Petition z.B. Verein Deutscher Sprache oder bei OpenPetition zu unterschreiben. Hinweis: Teile meines Artikels stammen von AG Gendersprache im Verein deutscher Sprache VDS e.V.
Klaus Rheinberger, Wismar, 04.06.2021