Archiv
< Zurück zur ÜbersichtGenug der Opfer!
Die Nachrichten und Bilder vom Putin-Krieg gegen den Nachbarn Ukraine erschüttern mich und rufen meine persönlichen Erinnerungen an Krieg, Flucht und Vertreibung zum wiederholten Male wieder wach.Ich war elf Jahre alt, als der Zweite Weltkrieg auf Deutschland zurückschlug. Mein Vater war diesem Krieg schon 1943 zum Opfer gefallen. Mutter war nun mit vier Kindern allein. Wir waren in Niederschlesien zu Hause. Die Nazis schickten uns Anfang 1945 das erste Mal auf die Flucht. Nach sechs Wochen beschloss Mutter, wieder gegen den Flüchtlingsstrom, Nach Hause zu fahren. Die zweite Flucht gelang uns unter Beschuss und Bomben nur ein paar Kilometer weit. Nach drei Tagen wieder zu Hause, begann die polnische Besiedlung. Im Laufe der nächsten Monate warf man uns vorübergehend jeweils für mehrere Wochen aus der Wohnung, wir krochen bei Verwandten oder Bekannten unter.Schließlich kam, was kommen musste: Wir wurden aus unserer Heimat vertrieben, weil die Siegermächte beschlossen hatten, die heute völkerrechtlich anerkannte Oder-Neiße-Grenze als Ostgrenze Deutschlands festzulegen. In der DDR nannte man uns »Umsiedler«, doch wir sind nicht umgesiedelt, sondern brutal vertrieben worden. Mittlerweile hatte sich in der Welt herumgesprochen, dass Kriege zur Lösung von Konflikten ganz und gar nicht taugen. Leider hat sich diese fundamentale Erkenntnis in den Köpfen vieler Politiker nicht festsetzen können. Er gab in den letzten Jahrzehnten immer wieder kleine, aber auch größere, zum Teil grausame und opferreiche Kriege (Korea, Vietnam und andere). Russland bzw. die Sowjetunion hatten bekanntlich mit Abstand die meisten Menschenopfer und einen verwüsteten europäischen Teil seines Territoriums im Zweiten Weltkrieg zu beklagen. Auch die Ukraine als eine der größten Teilrepubliken der UdSSR. Die Generalschlussfolgerung der gesamten Sowjetunion lautete verständlicherweise: Das darf uns nie wieder passieren. Und heute? Der lange währende Kalte Krieg (NATO – Warschauer Vertrag) wurde mit der einseitigen Auflösung des Warschauer Vertrages beendet. Doch die einseitige weitere Verstärkung und Vergrößerung der NATO führte zur Wiederbelebung des Kalten Krieges. Dass Putin einen solchen Krieg gegen eine ehemalige in der UdSSR verbundene Ukraine führen würde, hätte ich nicht für möglich gehalten. »Militäraktion« nennt er das, Krieg darf das in Russland niemand nennen. Vor über 77 Jahren kämpften sie gemeinsam gegen Nazi-Deutschland und zogen siegreich in Berlin ein. Und nun das? Und die Welt muss zuschauen, findet keine probaten Mittel, Putin in den Arm zu fallen. Es ist ein Jammer. Es tut mir weh, in meinem Alter so etwas noch erleben zu müssen.
Hans Bremerkamp, Rostock, 14.03.2022