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So schnell stirbt eine Sprache nicht!

Antwort auf den Leserbrief "Wenn Sprache stirbt" vom 05.11.2024

Zum Teil kann ich den Unmut von Hauke M. aus Rostock verstehen, denn es gibt die eine oder andere Überziehung im Streiten um sprachlichen Ausdruck. Aber ich verstehe auch jene, die in bestimmten Fällen bemüht sind, das Bewusstsein zu schärfen für Dinge, die man verändern sollte und besser nicht mehr sagt. Und ich nehme auch manche Übertreibung in besagtem Unmut wahr, dass beklagt wird als Kulturverlust, der keiner ist, und sich gar nicht so dramatisch darstellt, wie man meint. … Die Nachricht zum „Verbot“ den Lindenberg-Song betreffend ist in Wahrheit eigentlich nur eine lokal ausgesprochene Untersagung einer Aufführung bei einem einzelnen Veranstalter, die ich persönlich für überzogen halte. Diese vereinzelte Angelegenheit, welche man fast als „Ulk“ verbuchen könnte, hat aber nun dummerweise mediale Aufmerksamkeit in einer medial aufgeheizten Stimmung erfahren, die eigentlich gar nicht angemessen ist. Man hat jetzt den Eindruck, als sei das eine Regelung allgemein gültiger Natur. Das Wort „Verbot“ geistert umher. Dabei ist von gar keiner Behörde irgendwie, irgendwas, irgendwo verboten worden. Genauso wenig, wie das Gendern nirgendwo gesetzlich geregelt, angeordnet ist. Hier ist es nicht viel anders. Es wird beklagt, als sei es Gesetz, dabei gibt es keinen Paragrafen dazu. Über Sinn und Widersinn kann man streiten. Aber leider wird das politisch sogar missbraucht. Die AfD geht damit voran. Sachlichkeit ist abhandengekommen. … Schaut man sich aber das „N-Wort“ an, liegt das Ganze etwas anders. Dieses Wort, zu dem es heute einen allgemeinen Konsens gibt, dass es ein diskriminierendes, herabwürdigendes, rassistisches Wort ist, hat eine Geschichte, welche mit Kolonialismus und seinem rassistischen und entmenschlichenden Charakter eng verbunden ist. Der Begriff war die Norm zur Bezeichnung von schwarzen Menschen im Lichte ihrer Unterdrückung, Verfolgung, Versklavung, Entmenschlichung, Entwertung, Herabwürdigung, Erniedrigung usw. usf. Und dass den so Bezeichneten dieses Wort verhasst ist, ist keine Erfindung von „Woken“ und „political correctness“, sondern die Jahrhunderte alte und heute nach wie vor alltägliche Erfahrung der Betroffenen Menschen. Es ist ein Teil rassistischen Alltags schwarzer Menschen – auch bei uns. … Ja, früher hatte man das Wort gebraucht, ist man damit aufgewachsen, war es auch in den Kinderbüchern und Kinderliedern gang und gäbe. Aber normal waren mal auch solche Begriffe, wie „Schlitzaugen“ (oft in Kolonialliteratur über China zu lesen) oder „Untermenschen“. Niemand käme heute auf die Idee, auf dieses Wortgut zu beharren. Warum also auf dem N-Wort beharren? Weil der Nichtgebrauch ein Kultur- und Sprachverlust ist? Ich würde jeden fragen, der darauf beharrt und es verteidigt, warum ihm oder ihr dieses Wort so wichtig ist im Wissen, dass es herabwürdigend ist? Warum will man ein Wort unbedingt erhalten, obwohl es für so angesprochene Menschen eine Kränkung darstellt? … Es sollte bei Erkenntnis und Einsicht in der Sache eigentlich kein Problem darstellen, dieses Wort nicht zu gebrauchen. Das ist weder ein Kultur- noch ein Sprachverlust. Im Gegenteil. Es säubert Kultur und Sprache von Schlechtem, wie dieses eine Wort. Die deutsche Sprache ist sehr vital und stirbt sicher nicht.

Haiko Hoffmann, Schwerin, 05.11.2024

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