Fußgängerinteressen stehen in einer autogerechten Stadt an letzter Stelle. Planende und Entscheidende schauen zuerst, wie möglichst viele Kraftfahrzeuge in einer bestimmten Zeit möglichst ohne »Störer« mit zulässiger Höchstgeschwindigkeit auf Fahrbahnen untergebracht werden können. Erst wenn die Bedürfnisse von Kraftfahrzeugen befriedigt sind, wird der Rest der Straße dem Fuß- und Radverkehr belassen. Dieser Seitenraum wird gemeinhin als Gehweg bezeichnet. In den letzten Jahrzehnten wurden jedoch zunehmend auf diesen Gehwegen Verkehrsschilder aufgebaut, die auf blauem Grund ein weißes Fahrrad zum Sinnbild haben. Durch dieses Schild wird Radfahrenden das Fahren auf der dafür vorgesehenen Fläche, der Fahrbahn, verboten und zugleich das Fahren auf dem Gehweg vorgeschrieben. Das führt zu Konflikten, die unter anderem auch der Radentscheid Rostock entschieden ablehnt. Geh-/Radwege können, müssen aber nicht mit diesen blau/weißen Schildern ausgestattet sein. Ohne Schild keine »Radwegbenutzungspflicht«. Woran erkennt der kundige Verkehrsteilnehmer nun was Gehweg, Radweg oder Fahrbahn ist?
Drei junge Damen, die mir in der Marieneher Straße entgegenkamen und den Weg versperrten, meinten, dass die roten Pflastersteine neben hellgrauen Pflastersteinen einen Radweg darstellen. Nun ist dieser Weg in Richtung Rostock-Schmarl allerdings in gesamter Breite ein Gehweg mit Zusatzschild »Fahrrad frei«, aber in Gegenrichtung ein mit Verkehrsschild 240 gemeinsamer benutzungspflichtiger Geh- und Radweg. Das heißt in Richtung Schmarl in Schrittgeschwindigkeit fahren, entgegengesetzt in Fahrradgeschwindigkeit.
In der Hundsburgallee in Fahrtrichtung Marienehe wird in Höhe S-Bahn-Haltestelle aus einem getrennten Geh- und Radweg ein Gehweg, welcher versteckt hinter dem Buswartehaus mit einem blauen Schild und Fußgänger-Sinnbild ausstaffiert ist. Ich, als legal auf der Fahrbahn Radfahrende, werde dort jedoch von anderen durch verbale und tatsächliche Gewaltandrohung belästigt. Selbst ein Fahrschullehrer zeigte mir an, doch auf dem »Raaadweg« zu fahren.
In der Hamburger Straße wurde seit 2014 ab Kunsthalle bis Tschaikowskystraße aus einem getrennten Geh- und Radweg ein mit Verkehrsschild 240 ausgewiesener gemeinsamer Geh- und Radweg. Fast täglich werde ich dort inzwischen nicht nur von Halbstarken mit »Raaadweg« und Armzeichen angebrüllt und der Weg versperrt.
Die kleine Siegmannstraße zwischen der Schulenburgstraße und der Ernst-Thälmann-Straße ist nur in einer Richtung mit dem Verkehrsschild 240 ausgewiesen. Umgekehrt ist auf wundersame Weise aus einem Geh- und Radweg eine Ausfahrt, also eine Fahrbahn geworden.
Kurz bevor in der Ulrich-von-Hutten-Straße Radfahrstreifen aufgemalt wurden, setzte das Amt ein Verkehrsschild 240 auf die rechte Seite eines Gehwegs, um dann wenig später stattdessen ein Verkehrsschild 237 Radweg am linken Rand des Gehwegs aufzustellen.
Fußgänger und Autofahrer sind nicht Adressaten der blauen Radwegschilder. Diese Schilder beschränken nur die Handlungsfreiheit Rad fahrender Menschen. Fußgänger und Autofahrer möchten doch bitte sich nicht das Amt eines Polizisten anmaßen bzw. Selbstjustiz üben oder zur Gewalt in Medien aufrufen. Statt dessen sollten sie sich für verkehrssichere, in Fahrradgeschwindigkeit benutzbare und getrennt vom Kfz- und Fußverkehr verlaufende Radwege einsetzen. Denn meckern oder Bürger angreifen ändert nichts an der schlechten Situation.