Lieber Herr Hans Steike in Markgrafenheide, vorab – ich bin wie Sie gegen den Krieg als solchen, aber aus eigener, leidvoller Erfahrung. Doch um den Krieg Russlands gegen die Ukraine richtig einordnen zu können, lohnt vielleicht ein Blick zurück in die russisch-sowjetische Geschichte.
Seit der so genannten Großen sozialistischen Oktoberrevolution haben Russland respektive die Sowjetunion an 51 Kriegen, kriegerischen Handlungen bzw. Aktionen teilgenommen und das nicht nur an der Peripherie des Landes, sondern weltweit. Davon war nur einer, nämlich der »Große Vaterländische Krieg« ein reiner Verteidigungskrieg, im Sinne der stalinschen Lehre von gerechten und ungerechten Kriegen. Und selbst das muss historisch im Kontext mit dem Hitler/Stalin-Pakt gesehen.
Den ersten Krieg, den Sowjetrussland nach oder neben den Bürgerkrieg führte, war der Krieg gegen die 1917 gegründete »Volksrepublik Ukraine«, dem ersten Ukrainischen Nationalstaat. Er endete 1920 mit der Besiegung der Ukraine durch Russland und ihrer Eingliederung in den Sowjetstaat. Gut nachzulesen in dem Buch »Wie der Stahl gehärtet wurde« von Nikolai Ostrowski, in der DDR Pflichtliteratur.
Die Volksrepublik war anerkannt gewesen von: Georgien, Lettland, Litauen, Estland, Aserbaidschan, Deutschland, Bulgarien, dem Osmanischen Reich, Rumänien, der Tschechoslowakei, Sowjetrussland, der Schweiz, Schweden, Dänemark, Persien.
Ein immanenter aggressiven Charakter Russlands bzw. Sowjetunion wird beispielsweise deutlich an dem auf Befehl Lenins geführte Krieg Russlands gegen Polen 1920/21 mit dem Ziel der Westverlagerung Sowjetrusslands, an dem Krieg gegen China 1929, dem ersten Finnischen Krieg 1939 (einem reinen Angriffskrieg), dem Krieg gegen Polen 1939, der Annexion der Baltischen Staaten, der Invasion im Nordiran 1941, der Kuba-Krise 1962, der Niederschlagung des Prager Frühlings 1968 oder des Krieges in Afghanistan 1979 bis 1989.
Nein, es sind nicht Kriege des russischen Volkes oder der russischen Völkergemeinschaft, es sind und waren Kriege der politischen Führungen, so wie jetzt der Krieg gegen die Ukraine.
Es ist Putins Krieg, der im zweiten Tschetschenienkrieg (1999 bis 2009) erstmals zeigte, wozu er willens und fähig ist. Auf seinen Befehl hin wurde die tschetschenische Hauptstadt Grosny dem Erdboden gleich gemacht und eine ihm hörige »Regierung« eingesetzt unter Führung von Ramsan Kadyrow, ein russischer Politiker (Einiges Russland) tschetschenischer Herkunft.
Und genau das will Putin in der Ukraine auch. Den Staat als eigenständiges Land vernichten. Womit wir wieder am Anfang meines Beitrages sind, bei der Frage nach einem gerechten Krieg. Diplomatie ist für Putin suspekt und Schwäche. Er ist als Mensch ein Produkt des Kalten Krieges und ein Mann der Macht. Er versteht nur ernsthaften Widerstand. Wollen wir nun das ukrainische Volk im Kampf um die Freiheit wieder alleine lassen, was man auch immer unter dem Begriff Freiheit verstehen mag?
Wenn kleinere Länder unter dem Schirm der NATO wollen, dann sollte man nach dem Prinzip Ursache und Wirkung werten und fragen, warum will kein Volk in Putins Machtbereich oder wenn es drin ist, daraus hinaus?