Die persönliche Freiheit hat einen sehr hohen Wert, dazu gibt es keine Diskussion. Und es hat auch bei uns jeder einen Anspruch darauf, denn sie ist grundgesetzlich verankert. Doch die Sichtweisen sind schon 30 Jahre nach der Wende sehr verschieden. Die ältere Generation, d.h. Kriegs- bzw. Nachkriegsgeneration, hat da ganz andere Erfahrungen. Sie musste, incl. Leben in der DDR, 45 Jahre darauf warten, sie zu bekommen, hat sie als ein sehr großes Geschenk betrachtet und fasst sie noch heute aus lauter Respekt mit Glaceehandschuhen an. In der momentanen Situation der Krise schränkt der Staat aus Gründen des gesundheitlichen Allgemeinwohls bestimmte Grundrechte und Freiheiten ein – wir als ältere Generation sind aufgrund unserer Vergangenheit hart im Nehmen und haben m.E. mit diesen Einschränkungen kein Problem. Anders bei den in den achtziger Jahren und nach der Wende Geborenen. Ihnen wurde die persönliche Freiheit quasi mit in die Wiege gelegt, sie kennen nichts anderes. Aber auch die Medaille „Persönliche Freiheit“ hat zwei Seiten: a) Die positive: Die jüngere Generation kennt nichts anderes, nimmt sie als gegeben und völligen Normalzustand hin (bis hin zum Durchsetzen der persönlichen Freiheit im Straßenverkehr, obwohl es einen § 1 in der STVO gibt!). b) Die negative: Aufgrund des völlig Normalen wird sie nicht als ein besonders hoher Wert gesehen, der zu achten ist, sondern als Alltäglichkeit. Und wenn sie alltäglich nicht zur Verfügung steht, wie z.B. jetzt, gibt es Unmut, den Ruf nach Demonstrations- und Versammlungsfreiheit und die Forderung an die Gerichte, dem Staat auf die Finger zu hauen. Das ist nicht nachvollziehbar, aber erklärbar: Die jüngere Generation hat im Gegensatz zu unserer keine harten Zeiten erlebt und ist sich deshalb dieses besonderen Wertes der persönlichen Freiheit nicht bewusst. Das soll aber keine Entschuldigung für ihr Handeln sein, dass sie in dieser schweren Situation auf ihre Rechte pocht, aber sie ist alt genug, selbständig zu denken. Die Bundeskanzlerin appelliert zu Recht an Rücksichtnahme und Solidarität untereinander, und dazu gehört nun auch einmal der Verzicht auf liebgewordene Gewohnheiten. Aus dem Grundgesetz leitet sich diesbezüglich her: Die persönliche Freiheit des einen endet dort, wo die Rechte des anderen beginnen: Nämlich das Recht, dass der Staat ihm bei der Erhaltung seiner Gesundheit hilft. Der französische Schriftsteller und Nobelpreisträger (1957) Albert Camus (1913-1960) drückte es so aus: „Die Freiheit besteht in erster Linie nicht aus Privilegien, sondern aus Pflichten.“ Dem ist nichts hinzuzufügen!