Natürlich ist es keine Überraschung, dass nun auch deutsche Politikerinnen die Olympischen Spiele in China boykottieren. Schließlich haben die USA es vorgemacht, spielen sich wieder einmal als Bewahrer von Freiheit und Menschenrechten auf, weil ihnen Menschenrechtsverstöße, wie Chinas Umgang mit den Uiguren, die im eigenen Land doch völlig fremd sind!
Als hätte es Lager wie Abu Ghraib oder Guantánamo nie gegeben, wo über Jahre, inzwischen Jahrzehnte hinweg, unschuldige Menschen unterschiedlichster Nationen ohne jeglichen juristischen Schutz, ohne Prozess, unter menschenunwürdigsten Verhältnissen, außerhalb des Völkerrechts, festgehalten (und, wie der Welt lange und bestens bekannt, gefoltert!) wurden und immer noch werden, obwohl schon Friedensnobelpreisträger Obama sie abzuschaffen versprochen hatte. Und wenn China heute vorgibt, seine Gefangenen »auf ein Berufsleben vorbereiten und von terroristischem Gedankengut befreien« zu wollen, sei einmal daran erinnert, dass auch ein Ex-US -Präsident Guantánamo schon mal zynisch als »Freizeitpark« beschrieb, »in dem die Gefangenen durch Fitness und Entertainment verwöhnt« würden.
Als gäbe es Wistleblower wie Assange, Snowden oder Mannings nicht, die wie Schwerverbrecher und Verräter gejagt und von manchem Senator mit der Forderung nach Todesstrafe bedroht wurden, obwohl sie nichts weiter tun, als der Welt aufzuzeigen, wie es tatsächlich um die Wahrung der Menschenrechte im heimatlichen »Bollwerk der Demokratie« bestellt ist.
Und Europa, besonders Deutschland, mit seiner Wertegesellschaft und zu jeder Gelegenheit viel gepriesenen Pressefreiheit? Kollektives Schweigen, keine Rede von Verurteilungen, geschweige denn Sanktionen, mit denen man sonst so gern und schnell bei der Hand ist. Solidarität mit Systemkritikern in Russland oder China (sowie anderen, den Amerikanern unliebsamen Regimes!) gern, aber Kritik am großen Bruder? Solche Doppelmoral ist kaum erträglich, doch dürften wir wohl auch künftig kaum damit rechnen, dass sich daran etwas ändert, sich unsere sonst so forsch auftretende neue Außenministerin solche Themen auf die Fahnen schreiben wird.