Sehr geehrte/r Herr oder Frau Anonym, da Sie sich persönlich auf mich beziehen, gebe ich gerne meine Gedanken zur Erwiderung. Zum einen habe ich meine Einschätzung zur OB-Wahl nach meinem besten Wissen kundgetan. Insoweit habe ich die veröffentlichten Informationen und Wahlforen zu meiner Meinungsbildung genutzt. Dass Sie zu einer anderen Beurteilung gelangen, ist Abbild der Meinungsvielfalt in unserer Demokratie. Schmunzeln muss ich ob des „vehementen Widersprechens“, da ist so etwas von empörtem Aufschrei drin. Wir tun uns in unserer Gesellschaft nach meiner Beobachtung immer öfter schwer, uns in konstruktive, Streit und gegenseitige Achtung beinhaltende Diskussionen zu begeben. Und da gehört am Ende eines demokratischen Prozesses eine Entscheidung dazu, die von allen für den Augenblick respektiert wird.
Dass die „gezielte Wahlpolitik der Parteien“ für die Chancenlosigkeit der verschiedenen Einzelkandidaten und daraus abgeleitet für die von Ihnen beobachtete Wahlmüdigkeit der Rostocker verantwortlich sei, ist eine interessante These. Ja, die Parteien haben für die von ihnen aufgestellten Kandidaten gezielt Wahlpolitik gemacht. Alles andere wäre auch ziemlicher Blödsinn. Und genau dort verorte ich u.a. auch ein gewisses Maß an Selbstüberschätzung bei verschiedenen Einzelkandidaten der Rostocker OB-Wahl. OB in einer Stadt wie Rostock zu werden, heißt neben einem guten Wahlprogramm ein Team zu haben, das einen erfolgreichen Wahlkampf organisieren kann. Und OB dann zu sein, heißt führen zu können auf mehreren Ebenen.
Ich gebe Ihnen auch gerne noch zu Bedenken, dass Parteien keine anonymen Maschinen sind. Das sind Menschen wie ich zum Beispiel, die sich einer solchen wegen der in dieser Gemeinschaft verfolgten Ziele und Ideen anschließen.
Abschließend merke ich einen großen Kritikpunkt an. Ich weiß nicht, warum Sie nicht mit Ihrem Namen für Ihre Meinung im „Blitz“ stehen. Diverse Umfragen sagen unter anderem aus, dass +-um die Hälfte der ostdeutschen Menschen sich in irgendeiner Form gehemmt sehen, ihre Meinung frei zu äußern. Ich bin in der DDR sozialisiert worden und weiß durchaus, welche Folgen kritische politische Meinungsäußerungen haben können. Und ich weiß auch, dass es, seit wir ein Deutschland sind, mitunter sehr schwierig sein konnte, sich zum Beispiel kritisch in der Arbeitswelt frei zu äußern. Aber einen Diskurs wie diesen nicht von Angesicht zu Angesicht führen zu können? Dafür gibt es keinen Grund. Oder wir wollen zukünftig zwar immer einen sauberen Pelz haben, aber nur noch ohne mit dem Wasser in Berührung zu kommen.
Ich wünsche ein gesundes Jahr 2023.