In der Berliner Zeitung vom 22.1.20 wird die Kanzlerin zitiert: »In der DDR konnte man selten Sport in einer Sportstätte machen, wenn man nicht olympiaverdächtig war«. Ich möchte wissen, welcher Redenschreiber/in Frau Merkel diesen Blödsinn ins Manuskript gesetzt hat. Diese Behauptung posaunte sie Ende Januar anläßlich der Verleihung der Auszeichnung »Sterne des Sportes« aus. Die Unterstellungen und Verleumdungen des DDR-Sportes werden im Laufe der Jahre immer abenteuerlicher und unkorrekter. Leider fehlen mir die konkreten Angaben zum Sportstätten- und Turnhallenneubau nach 1990 in M/V. Ich bin hier auf subjektive Beobachtungen in meinem Umfeld (Neubrandenburg/Altentreptow) angewiesen: keine einzige Turnhalle. Zusätzlich wurden Schwimmbäder geschlossen, lediglich Spaßbäder schossen aus dem Boden. Mit Mühe wird die alte Substanz am Leben erhalten. Wenn Sportgruppen die Anlagen nutzen, kostet das Geld; in der DDR war das Sporttreiben in Betriebs-, Schul-, Wohngebiets- oder anderen Sportgruppen kostenlos. Organsiert musste man allerdings sein, nicht nur wegen der Unfallversicherung für den Freizeitsport. Vielleicht waren die Hallenzeiten knapp, weil mehr Menschen organisierten Freizeitsport betrieben? Der Sportbetrieb war nach 1990 einem strukturellen Wandel unterworfen: die Motivation zum Sporttreiben waren früher Streben nach Leistung, Wettkampf und Erfolg sowie Bewußtseinsstärkung, heute Spass, Fitness, Wohlbefinden, Gesundheit, Ausgleich und Entspannung. Die Sportvereine mussten in Konkurrenz zu den gewerblichen Anbietern treten (Fitness-Studios, Reiterhöfe usw.). 2/3 der Sporttreibenden bevorzugen Indiviualität statt Organisation. Die Sportgelegenheiten heute sind weniger Hallen und Sportfelder, sondern Wege, Wald, Parks, Straßen und öffentliche Plätze. Interessant ist die Aufschlüsselung der Sporttreibenden auf die einzelnen Disziplinen, die mir für die Stadt Schwerin vorliegen: Allgemeine Sportgruppe 3557 Sporttreibende, Fußball 1701, Behindertensport/REHA 1071, Segeln 1032, Schwimmen 746, Volleyball 716, Handball 611, Angeln 468, Kanu/Drachenboot 467, Tanzen 409, Leichtathletik 378, Rudern 370, Tischtennis 368, Judo 335.
Einwohnerzahl Schwerin 2016: 98 823 (1990: 127 447)
Wie üblich wird hier die Insuffizienz des Systems mit den Fehlern seiner Vorgänger gerechtfertigt. Die Auswirkungen einer solchen Sportpolitik machen sich durch indiskutable physische und psychische Leistungen der jungen Generation schmerzlich bemerkbar. Dafür spricht die zunehmende Erfolglosigkeit in vielen olympischen Sportdisziplinen, mehr Tod durch Ertrinken, weil immer weniger Kinder schwimmen können und immer mehr Athleten aus dem Ausland werden in den meisten Sportarten kooptiert. Wir entfernen uns eben immer mehr vom Ideal des Menschen in der Antike: Mens sana in corpore sana(Juvenal, römischer Dichter). (Ein gesunder Geist ist in einem gesunden Körper)
MR Doz. Dr. Machalett, Neubrandenburg/Altentreptow