Das Rathaus Rostock macht auf seiner Internetseite die Unterlagen zum Ersatzneubau der Eisenbahnüberführung Goetheplatzbrücke bekannt. Es kommt zu Einschränkungen für Verkehrsteilnehmer:innen. Doch werden alle Menschen gleichartig eingeschränkt?
In der Unterlage 17 findet sich dieses Zitat:“Im Bereich der Geh- und Radwege wird es jeweils einseitig zu Einschränkungen (Sperrungen) in den Bauphasen kommen, wobei eine Verlegung in den Bereich der Fahrbahn ausgeschlossen werden sollte, um die Kapazität der Fahrbahn nicht einzuschränken. In den Bauphasen 4 und 9 wird es zu Platzeinschränkungen für den nichtmotorisierten Verkehr kommen. Nach den Bauphasenplänen werden dadurch nur etwa 1,70 m im Querschnitt zur Verfügung stehen. Da alternativlos, kann die gemeinsame Verkehrsführung von Fußgängern und Radfahrern nur mit entsprechender Beschilderung zugelassen werden (VZ 1012-32, Radfahrer absteigen). “
Über den Sinn bzw. Unsinn des VZ 1012-32 Radfahrer absteigen klärt Bernd Sluka auf seiner Internetseite auf. (www.bernd.sluka.de/Radfahren/absteigen.html). Zitat: „“Radfahrer absteigen“ ist die in Blech gestanzte Ausrede der zuständigen Verkehrsbehörde oder auch mal einer unzuständigen Baufirma. Sie wird dann verwendet, wenn die Anlagen, auf die man den Radverkehr gelockt hat, für ihn tatsächlich ungeeignet sind. Statt sinnvolle Alternativen anzubieten, wird dann „Radfahrer absteigen“ aufgestellt. Denn am einfachsten ist es dann natürlich, wenn die Radfahrer keine Radfahrer mehr sind und sich in Fußgänger verwandeln. Das Problem ist damit nicht beseitigt, aber möglicherweise die Verantwortung auf die Radfahrer abgewälzt.“
Die bis 2,55 m breiten hoch motorisierten Verkehrsteilnehmer:innen, werden unter der Brücke auf einer Länge von ca. 300 m auf je einem ebenen Fahrstreifen von ca. 3,20 m Breite geführt.Wer sich aber breit macht, nimmt anderen den ihm zustehenden Anteil des Allgemeinguts. Ein- und mehrspurige Radfahrer:innen, Elektroklein-Kraftfahrzeugführer:innen, Rollstuhl- und Rollatorfahrer:innen, Kinderwagen, Reisekoffer, Hunde und andere Schlanke müssen deswegen je Bewegungsrichtung eine Armeslänge von ca. 85 cm Breite ertragen. Eine intime Distanzzone, wie sie es z.B. an Supermarktkassen gibt oder Sicherheitsabstände zu Schildern o.ä., sind nicht geplant. Füllige Menschen fühlen sich ebenso unerwünscht wie Radfahrer:innen.
Zeitweise werden die Geh- oder Radwege sogar voll gesperrt. Dann bleibt Fußgänger- und Radfahrer:innen nur, die Umgehungsstraße zu nutzen. Fußgänger:innen und alle die dazu gerechnet werden, sollen eine mit Fahrstühlen und Treppen gespickte Strecke von fast 1,5 km = ca. 25 Minuten über den Hauptbahnhof nehmen. Radfahrer:innen und alle die dazu gerechnet werden, müssen über die Straße Platz der Freundschaft, der buckligen E.-Schlesinger-Str. bis zur Schwaaner Landstraße fahren. Dort müssen sie durch den entlegenen, im Zickzackkurs zu erreichenden, unangenehmen Tunnel hindurch. Zurück geht es über die kopfsteinholprige Herder- und die Goethestraße. Die Umgehung kostet sie viel Kraft, Nerven und Zeit. Zumutbare sichere komfortable baulich getrennte Radwege sind nur stückweise vorhanden. Ihr Leben und Gesundheit sind gefährdet.
Alle Menschen haben das gleiche Zeitbudget. Wird Druck auf ihren Etat ausgeübt, verwandeln sie sich in andere Wesen. Aus Fußgänger:innen können dann Radfahrer:innen, Autofahrer:innen oder Bus- und Bahninsassen werden.
Welche Prioritäten setzen die Rostocker Politiker:innen, die Bürgerschaft, die Verwaltung und die Planer:innen? Befürworten sie einen möglichst großen ökologischen Fußabdruck mit mehr Platz- und Ressourcenverbrauch? Die Erde wächst nicht mit, daher wird es jetzt und künftig darauf ankommen die verfügbaren Möglichkeiten effizient zu nutzen und für eine faire Verteilung zu sorgen.
Lassen Sie’s gut gehen!