Meinungsforscher und Politiker aus den westlichen Bundesländer arbeiten sich in Talk-Shows und in seitenlangen Analysen in den Print-Medien an der Frage ab, warum die ostdeutsche Bevölkerung russlandfreundlicher ist als die im Westen. Die Antwort ist relativ einfach: weil wir die Geschichte nach dem Krieg anders erlebt haben.
Während man im Westen von Anfang an den verloren Krieg als Niederlage und Kapitulation gesehen hat, war es im Osten die Befreiung vom Faschismus.
Während im Westen der Russe immer der Feind geblieben ist, war er im Osten zwar auch der Besatzer, aber er war auch der, der trotz des unendlichen Leides, das ihm Hitlerdeutschland zugefügt hatte, derjenige, der die Hand zur Freundschaft austreckte.
Im Westen ist der Russe immer der Feind geblieben, den man fürchten musste wie der Teufel das Weihwasser, und so denken die meisten Menschen im Westen heute noch. Da wirkt immer noch das jahrzehntelang geprägte Bild vom barbarischen Untermenschen nach, das die Nazis geprägt haben.
Natürlich gab es im Osten auch Vorfälle mit russischen Soldaten, die es besser nicht gegeben hätte, aber überwiegend haben die Ostdeutschen erlebt, dass die Sowjetarmee zur Stelle war, wenn es galt, bei Katastrophen und schwierigen Lagen zu helfen.
Das alles hat unser Bild von den Russen bestimmt. Wir haben sie bei Reisen und Treffen erlebt und die echte, nicht staatlich verordnete Freundschaft der einfachen Leute gespürt.
Ich werde es nie vergessen, wie ein altes Mütterchen vor Marsfeld in Leningrad, wo über 900.000 Menschen, die in der deutschen Blockade der Stadt verhungert sind, begraben liegen, mir die Hand reichte und Drushba (Freundschaft) sagte.
Es ist einfach schrecklich, dass Putins Krieg heute wieder dazu beiträgt, das Bild vom bösen Russen zu bedienen, aber in Abwandlung eines Stalin-Ausspruchs nach der Zerschlagung des Hitlerfaschusmus: die Putin kommen und gehen, aber das russische Volk bleibt.