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Kleingartenentwicklungskonzept

Unter der Überschrift »Grüne-Welle-Konzept könnte Kleingärten gefährden« berichtete am 15. September 2023 eine Tageszeitung über die Ortsbeiratssitzung in Rostock-Reutershagen, die dieses Konzept auf der Tages­ordnung hatte, um eine Empfeh­lung für die Bürgerschaft zu erarbeiten. Etwa 40 Einwohner waren gekommen, um sich über das Konzept zu informieren und es waren genau die Kleingärtner, die befürchten, dass durch die geplante Trassenführung der Straßenbahn nach Reutershagen ein Teil der bestehenden Gärten abgerissen werden könnte. Auch, wenn die Umweltsenatorin in einer Video­botschaft betonte: »Wir sind stolz und froh, nach vier Jahren ein Konzept in der Hand zu halten, das Kleingärten sichern wird«, konnte sie die Einwohner nicht wirklich überzeugen. Eine Mitarbeiterin des Amtes für Stadtgrün erklärte: »Dadurch haben wir ein Konzept, das wir bei Projektplänen gegenhalten können. Im künftigen Groten Pohl in der Südstadt hatten wir das nicht.« Also, das stimmt so nicht ganz. Es gab schon seinerzeit einen Richtwert, festgelegt mit 1:7 (ein Kleingarten für sieben Geschosswohnungen), der auch heute »noch« gültig ist und der die Versorgung Rostocks mit Kleingärten grundsätzlich regelt. In der Zeit um 2017 etwa, als der Grote Pohl als Baugebiet ins Gespräch kam, hatte Rostock statistisch circa 105.236 Geschosswohnungen. Mit dem Schlüssel 1:7 waren somit 15.033 Gärten erforderlich, um dieser Regelung zu entsprechen. Es gab aber seinerzeit circa 16.000 Kleingärten – überversorgt, wie man offenbar meinte. Heute sind es nur noch 15.000 Parzellen. Das, was es 2017 noch nicht gab, war die Unterteilung der Gartenanlagen in Erhaltungsstufen I, II und III, sonst wäre möglicherweise nicht die Anlage am Groten Pohl, sondern eine andere als Bauland geopfert worden. Dies aber bei dem neu erstellten Konzept als Vorteil zu präsentieren, empfinde ich als zynisch. Mit dem neuen KG-Konzept werden also auch neue Maßstäbe gesetzt. Zum einen wird der Richtwert zur Versorgung von 1:7 in 1:9 verändert, wodurch Rostock sofort mit circa 3.000 Kleingärten überversorgt ist. Damit wird aber auch der Weg frei gemacht für Flexibilität beim Zugriff auf Gartenanlagen, wann immer nötig und wenn der Richtwert es hergibt. Und er gibt es her. Mit der Unterteilung in Erhaltungsstufen wird auch gleich eingegrenzt, welche Anlagen es zuerst trifft, nämlich die, mit der Erhaltungsstufe III. Dass es manchmal auch so richtig gut passen kann, zeigt das Beispiel zur Trassenverlegung der Straßenbahn nach Reutershagen. Da ist seit Jahren dieses Projekt der RSAG geplant, das durch die dortigen Gartenanlagen führen soll. Gleichzeitig werden die dort vorhandenen 25 Gartenanlagen mit den Erhaltungsstufen II (13) und III (12) bewertet. So sieht dann ein Fall in der Praxis aus. Ich möchte das Konzept in Gänze ja nicht schlechtreden. Nein, die Ideen sind hilfreich, um veraltete Strukturen in den Anlagen zu erneuern und zu verbessern. Aber sie werden nicht in jeder Anlage umsetzbar sein. Trotzdem sind die Gärten dort doch erhaltenswert, wenn sie gepflegt und bewirtschaftet werden. Aber mit den beiden Kernpunkten des Konzeptes – 1. Versorgungsrichtwert und 2. Erhaltungsstufen – kann und sollte man sich nicht einverstanden erklären. Hier geht es um den grundsätzlichen Bestand von Kleingärten in unserer Stadt und gerade durch diese beiden Punkte trägt das Konzept nicht dazu bei, dass die Kleingärten geschützt und gesichert sind. Dieses Konzept darf kein Freifahrtschein im Umgang mit den Kleingärten sein, in dem man sie als »überversorgt« oder »nicht erhaltenswert« deklariert. Hier muss es im Interesse der Kleingärtner und der Einwohner unbedingt zu einer Veränderung kommen, denn wir sollten froh sein, dass wir dieses Grün noch haben. Immerhin sind im Laufe der letzten fünf bis sechs Jahre bereits 1.000 Gärten verschwunden, leider oft aufgrund von Umwidmung und Überbauung, weil dies der einfachste Weg des Widerstandes ist.

Anonym., Rostock (Name dem Verlag bekannt), 26.09.2023

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