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< Zurück zur ÜbersichtWie wollen wir leben?
Der imperialistische Krieg Putins in der Ukraine wird von vielen propagandistischen ‚Nebelkerzen‘ begleitet, so dass nicht nur manch‘ einer der ‚Montagsspaziergänger‘ die Orientierung zu verlieren scheint. Wenn sich der ‚Nebel‘ gelichtet hat, stellt sich eigentlich nur eine einzige Frage, die gerade Menschen, die in totalitären Regimes einen Großteil ihres Lebens verbracht haben, relativ einfach beantworten können. Der ‚Westen‘ ist kein ‚Paradies auf Erden‘ – er ist mit Fehlern und Schwächen behaftet, wie alles Menschliche. Es spricht für ihn, dass er dies nicht nur erkennt. Im ‚Westen‘ werden Fehler erkannt, benannt und – so gut es geht – auch korrigiert. Dem ‚Westen‘ mit der – zugegebenermaßen durchaus fehlerbehafteten und optimierungsbedürftigen - parlamentarischen Demokratie mit Rechtsstaat und freier Meinungsäußerung sowie sozialer Marktwirtschaft steht ein anderes Gesellschaftsmodell gegenüber, das gekennzeichnet ist durch ein Machtmonopol, das sich über sämtliche gesellschaftliche Bereiche erstreckt. Kennzeichen dieses gesellschaftlichen ‚Großexperimentes‘ war und ist es – egal, ob von ‚rechts‘ oder links‘ – dass die Machtfrage von nichts und durch niemanden in Frage zu stellen ist. Ein weiteres – und zwar untrügliches - Kennzeichen ist das Verächtlichmachen aller gesellschaftlichen Versuche der Gewaltenteilung. Man spricht dann gerne von der so genannten ‚bürgerlichen‘ Demokratie‘ oder vom ‚Parteiengezänk‘, das man doch beseitigen müsse. (Wenn man nicht gleich seine ‚Zuflucht‘ in Verschwörungsmythen sucht.) Und man suggeriert dabei gerne den Eindruck, man habe doch eine ‚Alternative‘ zur offenen Gesellschaft. Wohl wissend, dass man die offene Gesellschaft nutzt, um ihr ‚Totenglöckchen‘ zu läuten. Sie wird es aushalten, denn nur ein kleiner Blick in die Geschichte zeigt, wohin Totalitarismus führt. Es ist eben kein Zufall, dass in totalitären Regimen Menschen oder Staaten schlicht ihre Existenzberechtigung abgesprochen werden. Ganz abgesehen davon, dass man kein Marxist sein muss, um zu erkennen, dass diese staatsmonopolistischen Systeme an all dem noch verdienen. Die Frage nach dem Preis, den das ‚einfache Volk‘ zu zahlen hat, gibt es für Oligarchen und totalitäre Machthaber ohnehin nicht. Wenn ich das alles recht bedenke, müssten eigentlich alle ‚Montagsspaziergänger‘ nur ein einziges Plakat hochhalten, auf dem steht: Wir tauschen unsere offene Gesellschaft nicht ein gegen Totalitarismus, Staatswillkür und imperialistische Unterwerfung.
Rudolf Hubert, Schwerin, 23.09.2022