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Einigkeit und Recht und Freiheit

Dankbar bin ich für die Rückmeldungen und den Hinweis, ich möge doch genauer sagen, was gemeint ist, wenn ich das Fehlen von Einigkeit und Recht und Freiheit bei Extremisten, Populisten und Anhängern von Verschwörungsmythen heute vermisse. Gern komme ich dieser Bitte nach. Allerdings fällt mir keine bessere Begründung für das eigentlich Gemeinte ein als jene Aussage, die Papst Benedikt XVI. als Theologe Joseph Ratzinger bereits im Jahr 1991, also vor über 30 (!) Jahren gemacht hat in einem Buch, das den bezeichnenden Titel trägt: „Wendezeit für Europa“. Darum soll seine Aussage meine Antwort auf die gestellte Frage sein: „Die Bestreitung des Jenseits hat zunächst zu einer leidenschaftlichen Verherrlichung… der Lebensbehauptung um jeden Preis geführt. Alles muss ja in diesem Leben erreicht werden, ein anderes gibt es nicht. Die… Gier nach allen Arten von Erfüllungen wurde aufs Äußerste gesteigert. Aber alsbald ist eine ungeheure Entwertung des Lebens daraus geworden…man wirft es weg, wenn es nicht mehr gefällt.“ Die „einzig wissenschaftlichen Weltanschauung“, die mit Staatsmacht einst in der DDR verordnet wurde und die angeblich alles wusste und alles durchschaute - nur um am Ende nicht eine einzige wesentliche menschliche Frage zu beantworten, ist abgelöst worden. Abgelöst von einem praktischen Materialismus, der scheinbar nur jene Devise zu kennen scheint, die ich einst als Werbung an einer bekannten Fast-Food-Kette fand: „ran-satt-weg“. In’ s Leben ‚geworfen‘ (Sartre), satt gemacht durch alles, was zur Verfügung steht und ‚entsorgt‘, bevor der Mensch zum Kostenfaktor wird. Die nächsten ‚Energie-und Stoffwechselaggregate‘ (Drewermann) stehen ja schon bereit. Es rächt sich bitter für das Menschenbild, wenn die Gottesfrage ausfällt. Extremisten, Populisten und Anhänger von Verschwörungsmythen machen uns allen das auf eine sehr schmerzliche Weise (wieder) bewusst, denn hinter ihren vielen Irrungen und Wirrungen steht tatsächlich eine tiefe Sehnsucht nach einer ‚heilen Welt‘. Es ist allerdings eine Sehnsucht, die von Scharlatanen aller möglichen Schattierungen skrupellos missbraucht und instrumentalisiert wird.

Rudolf Hubert, Schwerin, 27.08.2024

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