Leserbriefe lesen

Wachsam bleiben

Lasst Euch nicht verführen - es lohnt die Gegenwehr! Siehe das Video auf Sylt : Ausländer raus. Deutschland den Deutschen, garniert von einem Hitlergruß. Die deutschen Medien servierten das einige Tage der Bevölkerung umfangreich und unter dem Stern der Aktualität und Einmaligkeit für Sylt. Kein Hinweis darauf, dass das Braune dort nicht nur ein Hautmerkmal von schön dosierter Sonne ist, sondern spätestens seit 1951 auch ein Seelenphänomen. Denn in dem Jahr wurde der frühere Generalmajor der Waffen-SS Hans Reinefahrt, genannt der Henker von Warschau, als Bürgermeister von Westerland gewählt. Da er sich so bieder, zurückhaltend sowie freundlich verhielt und sich im Amt Anerkennung erwarb, wählten ihn die Einwohner bis 1964 in diese politische Vertrauensposition. Zwischenzeitlich war er noch vier Jahre im Schleswig-Holsteiner Landtag. Das alles kann jeder im Internet lesen und mehr. Dennoch dies, weil sich hier ein sehr aktueller Bezug zu der gegenwärtigen Kriegsführung ergibt. Reinefahrt befahl auch während des Warschauer Aufstandes im Sommer 1944 Zivilisten umzubringen. Krankenhäuser, Ärzte, Schwestern, Patienten waren vor ihm nicht sicher. Meistens haben seine Schergen gleich an Ort und Stelle liquidiert. Wer denkt in den damaligen Tagen der Kommunalwahlen und der Aktualität des aufsehend erregenden Videos noch an solche Historie - wie den 1979 Verstorbenen und in Sylt begrabenen Bürgermeister Hans Reinefarth und SS- Henker von Warschau – die Medien scheinbar nicht! Doch die Wahrheit ist immer konkret und das Konkrete ist die Einheit des Mannigfaltigen. Da gibt es noch viel Luft nach oben. Es erinnert mich auch an den Staute - Film "Die Mörder sind unter uns". Die Mörder sind lange tot. Aber das heutige gesellschaftliche Milieu, mit geformt aus der noch fruchtbaren Vergangenheit, lässt seinen Geist wieder als Kult aufleben. So sah ich vor kurzem wie im schönen Bio-Park in Schwerin sich einige Familien mit ihren Kindern auf der grünen Wiese niedergelassen hatten und in voller Inbrunst weit hörbar schrien: Deutschland den Deutschen, Ausländer raus! Mein geäußertes Missfallen wurde mit hau ab und anderen Schmeicheleien quittiert. Einen Tag später im Supermarkt kamen mir sechs sportlich und kräftige junge Leute entgegen und riefen sich den oben genannten rassistischen Slogan zu. Dann lachten sie darüber, dass ich dazu Mist gesagt hatte. Menschen, seid wachsam, sonst passiert uns erneut, was unsere Vorfahren nicht für möglich gehalten haben.

Karl Scheffsky, Schwerin, 26.07.2024

Hier können Sie Ihre Leserbriefe online aufgeben

Bitte beachten Sie, dass wir uns das Recht vorbehalten, im Falle des Abdruckens in der Zeitung, Textpassagen zu kürzen oder nachträglich zu ändern.