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Nachlese zur Bürgerschaftswahl

Es ist schon eine Weile her, dass Rostock eine neue Bürgerschaft gewählt hat. Wobei, ganz neu ist sie ja nicht, denn 28 Mitglieder der bisherigen, hatten sich erneut zur Wahl gestellt und den Sprung auch in die neue Bürgervertretung geschafft, mehr als die Hälfte der Gesamtmitglieder. Da kann man sich schon mal die Frage stellen: Geht es nun weiter so wie bisher? Neu sind auf jeden Fall der Bürgerschaftspräsident und seine 1. und 2. Stellvertreterinnen, aber auch nicht ganz, denn eigentlich kennen wir sie schon aus der vergangenen Legislaturperiode als Mitglieder der Fraktionen. Die Sitzverteilung nach der Wahl: CDU 9/AFD 9/ Die Linke 8/SPD 8/ Die Grünen 6/BSW 5/Rostocker Bund 2/ FDP 2/ Die Partei 1/Volt 1/Freie Wähler 1/ UFR 1/. Allein eine Fraktion mit nur 6 Sitzen konnte oder wollte wohl nicht akzeptieren, dass sie spürbar an Wählerstimmen verloren hatte und weil die Sitzverteilung in der Bürgerschaft auch Auswirkung auf die Verteilung der beliebten Plätze in den Aufsichtsräten, Vorständen, Ortsbeiräten und anderen Gremien hat, kam es bereits im Vorfeld der konstituierenden Bürgerschaftssitzung zu heftigen Streitigkeiten um die Verteilung dieser Posten, wie eine Tageszeitung ausführlich berichtete. Unter diesem Aspekt war die Bürgerschaftssitzung am 17. Juli 2024 umso spannender. Bei der Wahl des Bürgerschaftspräsidenten und seiner beiden Stellvertreterinnen hatten die Fraktionen der AFD bereits gezeigt, wo »der Hammer hängt«. Selbst bei der Bewerbung auf einen Stellvertreterposten hatte diese keine Chance. Das war deutlich! Ob es allerdings klug ist, 17,5 Prozent der Wähler und Wählerinnen Rostocks, die einer öffentlich wählbaren Partei ihre Stimme gegeben hatten, zu ignorieren, dazu kann sich jeder seine eigene Meinung bilden. Es mag zwar »bitter« sein, dass diese Partei so viele Wähler für sich mobilisiert hat, aber bisher hat sich auch noch niemand der anderen Bewerber ernsthaft damit auseinandergesetzt, weshalb das so ist. Ich persönlich würde mir wünschen, dass alle von den Bürgern gewählten Vertreter, sich nun in der Bürgerschaft ihrem Wählerauftrag so verpflichtet fühlen, dass sie gemeinsam, im Sinne und nach den Wünschen der Bevölkerung die Entwicklung der Stadt bestmöglich vorantreiben. Bei der Verteilung der Plätze in den Aufsichtsräten und anderen Gremien hatte die bisherige Bürgerschaftspräsidentin dann sehr gute Vorarbeit geleistet und die Zuordnung vorbereitet. Allein diese eine Fraktion mit den 6 Sitzen war wohl nicht ganz glücklich mit der Verteilung, denn sie versuchte mit einer Vorlage, die Hauptsatzung zu ändern und die Anzahl der Mitglieder in den Ausschüssen zu erhöhen, was durch die Bürgerschaft abgelehnt wurde. Witzig ist dann allerdings, dass eben diese Fraktion später unter TOP 12.1. Vorlage 2024/AN/5403 eine Prüfung zur Erhöhung der Aufsichtsratssitze von 4 auf 7 bei genau den Unternehmen beantragte, in denen sie nicht vertreten ist. Und obwohl die Verwaltung diesen Antrag nicht unterstützt, wird die Vorlage durch die Bürgerschaft als »geändert beschlossen« und der Antrag wie folgt ersetzt: »Die OB wird beauftragt, darauf hinzuwirken, dass die von der Bürgerschaft zu besetzenden Aufsichtsräte mit derzeit 3-6 Sitzen auf 7 Sitze geändert werden. Die Bürgerschaft ist im November 2024 über den Stand der Umsetzung zu informieren.« Ja, was sagt man dazu? Plötzlich sind alle wieder glücklich und jede Fraktion bekommt die Sitze, die sie sich wünscht. Es kostet nur ein bisschen mehr Steuergeld. Das Problem ist aber, dass diese Aktionen nicht dem Wählerwillen entsprechen. Hätten die Wähler gewollt, dass diese Fraktion mehr Verantwortung bekommt, dann wäre das Wahlverhalten anders ausgefallen. Ich kann nicht sagen, wie ich das finde, wenn man den Willen der Wähler negiert und alles passend macht, damit jeder zufrieden ist. Wozu wählen wir denn dann noch? Ich glaube, darüber sollten wir doch einmal nachdenken.

Anonym., Rostock (Name dem Verlag bekannt), 23.07.2024

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