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Frieden in Europa

Fast 80 Jahre Frieden in Europa – eine gute Zeit! Das werden bestimmt alle gern bestätigen, die den Zweiten Weltkrieg noch miterlebt haben, im Gegensatz zu den Politikern von heute, die Krieg nur noch vom Sagenhören kennen. Und genau das wird der Grund sein, weshalb ihre Bemühungen hinsichtlich der kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Ukraine und Russland eher auf Fortsetzung des Krieges, weitere Aufrüstung in Europa, Heraufbeschwören von Bedrohungen und anderes setzen, als auf Verhandlungen für ein friedliches Ende dieses Krieges. Aber Bemühungen in dieser Richtung sind kaum erkennbar. Sie haben Krieg mit all seinen Auswirkungen eben nicht wirklich kennengelernt. Ich bin knapp 90 Jahre alt und habe den Zweiten Weltkrieg mit allem, was zu einem Krieg gehört, als Kind erlebt. Ich hatte eine Kindheit ohne Vater, wir mussten vielerlei Entbehrungen, nicht nur was die Ernährung betraf, in Kauf nehmen, Fliegeralarme haben uns Nachts aus dem Schlaf gerissen und am Tage abrupt den Schulunterricht unterbrochen. Ich habe bei Fliegeralarmen stundenlang in massiven oder Erdbunkern gesessen, ohne zu wissen, was draußen um uns herum vorgeht. Ich habe das von Bombenangriffen völlig zerstörte Dresden gesehen und den Geschützdonner der ständig näherrückenden Front gehört. Ich war in Lazaretten, wo ich schwerverwundete und weinende Soldaten gesehen habe und habe zahllose Flüchtlinge in Schulräumen auf Stroh vegetieren sehen, die nichts mehr hatten, als das, was sie auf dem Leib trugen. Wir Kinder, ich war damals zehn bzw. elf Jahre alt und Schulunterricht gab es gegen Kriegsende nicht mehr, mussten Brote schmieren, Kartoffeln schälen und anderes, um dann Brote, Getränke oder warmes Essen unter den Flüchtlingen in den Notquartieren zu verteilen. Wir mussten Trecks, mit ganzen Familien auf dem Pferdegespann, in Notquartiere lotsen, wo sie meist nicht willkommen waren. Das sind meine Erinnerungen an Krieg, die für mich Grund genug waren und sind, Krieg in jeder Form abzulehnen. Deshalb habe ich auch absolut kein Verständnis dafür, dass lieber die Aufrüstung und die Führung eines Krieges forciert wird, statt nach Möglichkeiten einer friedlichen Beendigung der Auseinandersetzungen zu suchen. Denn alles, was in den Medien veröffentlicht wird, deutet doch darauf hin, dass man noch Jahre mit kriegerischen Auseinandersetzungen rechnet. Bestes Beispiel: Die Pläne, eine Fährverbindung nach Schweden zu schaffen, mit der Panzer nach Schweden transportiert werden können. Der Bau dieser Fähren würde angeblich bis zu zwei Jahre dauern, also geht man davon aus, dass in zwei Jahren noch Krieg herrscht. Wozu sonst sollte man Panzer von Deutschland nach Schweden bringen? Es wäre schön, wenn diese Kriegs- und Bedrohungshysterie aufhören würde und sich die Menschen wieder friedlicheren Problemen zuwenden könnten.

Anonym., per E-Mail (Name dem Verlag bekannt), 13.07.2023

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