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< Zurück zur ÜbersichtKeine abschließende Begründung
Letztens sendete das NDR-Fernsehen einen Bericht über den Tod eines Angehörigen der Bundespolizei aus Hamburg bei einer Übung in MV. Bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt sieht die zuständige Staatsanwaltschaft Stralsund keinen Grund für ein Ermittlungsverfahren wegen Fremdverschulden. Wenn die Video-Aufnahmen per Bild und Ton identisch sind, war für einen Laien erkennbar, dass der später Verstorbene zum Zeitpunkt der Aufnahmen physisch und psychisch am Ende seiner Kräfte war. Der Übungsleiter hätte spätestens zu diesem Zeitpunkt die Übung abbrechen müssen oder den Betreffenden einer medizinischen Versorgung zuführen. Übungsleiter tragen auf Grund ihrer Qualifikation bei einer derartigen Übung die Verantwortung letztendlich für Leib und Leben ihrer Unterstellten. Dieser Verantwortung und durch zu hörende Forderungen an das spätere Opfer ist nach meiner Überzeugung dieser Vorgesetzte absolut nicht gerecht geworden. Zur Sache - ich weiß wovon ich spreche. Als ehemaliger VP-Angehöriger habe ich an mehreren derartigen »Gewaltmärschen« bis zu 40 Kilometern, mit »Einlagen« teilgenommen. Auch als ich älter wurde, war ich eigentlich immer in einer relativ guten Verfassung nach derartigen Torturen. Bis zum Jahr 1970, bei einer Übung über 20 Kilometer Fußmarsch mit gesagten Einlagen, hatte ich einen »rabenschwarzen Tag« erlebt. Nach etwa 10 Kilometer, wir absolvierten unsere Übung im Umfeld der VP-Schule Wiligrad, war ich aus heiterem Himmel plötzlich und unvorbereitet wie ausgepunktet, das heißt am Ende meiner Kräfte. Nach kurzer Pause trug ein anderer Kollege zusätzlich meine »Kalaschnikow« und zwei andere Mitstreiter stützten mich beim Weiterkommen. Es ging mehr recht als schlecht. Als Abschluss absolvierte ich sogar noch eine Schießübung, da ich als guter Schütze die anderen nicht im Stich lassen wollte. Im Objekt wurde ich sofort in die Krankenstube gebracht. Der Diensthabende ließ mich mit einem Sanitätsfahrzeug zur BdVP nach Schwerin fahren, von dort kam ich sofort ins Krankenhaus. Der behandelnde Arzt sagte zu mir: »Sie stehen unter absoluter physischer und psychischer Erschöpfung, wenn Sie noch weiter gegangen wären, wären Sie verstorben.« Das war für mich eine Lehre für die Zukunft.
Hans Lüdtke, Ludwigslust, 16.05.2023