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Ich bin in einer Diktatur aufgewachsen und lebe nunmehr fast 34 Jahre - wie Millionen anderer Ostdeutscher auch - in einer Demokratie, die den Menschen Freiheit und damit verbundene Rechte sichert. Hierzu gehört zweifelsfrei das von unserer Verfassung besonders geschützte Recht auf Meinungsfreiheit. So kann jeder Mensch in Deutschland seine Ansichten ohne Angst vor Repressalien oder anderen Nachteilen in Wort, Schrift und Bild frei äußern und verbreiten. Die damit einhergehende Meinungsvielfalt ist ein hohes Gut und muss geschützt werden. Dazu gehört auch, dass die Meinung anderer respektiert wird. Das halte ich jedenfalls so. Aber auch das hat seine Grenzen. Spätestens dann, wenn die Würde anderer Menschen verhöhnt und damit missachtet und wird. Der von Herrn Lüdtke in seinem Leserbrief unter der Überschrift „Der lange Krieg“ vorgenommene Gleichsetzung des Überfalls deutscher SS-Angehöriger auf den Sender Gleiwitz (als einer der „Auslöser“ des 2. Weltkrieges) mit den Toten von Butscha ist schlichtweg unzulässig und zynisch. Das ist zudem ein Verstoß gegen moralische Konventionen. Damit geht eine Verhöhnung der durch Russland ermordeten Menschen in Butscha und in der gesamten Ukraine einher! Er ignoriert damit insbesondere das Leid der ukrainischen Bevölkerung und das tägliche Sterben von unschuldigen Menschen auf beiden Seiten infolge des durch Russland völkerrechtswidrigen geführten Krieges. Seine Forderung an die „Führungskräfte in der Welt“ gerichtet, beide Seiten „an einen Tisch zu bringen“ missachtet einerseits den Angriffskrieg auf die Ukraine durch Putin und andererseits stellt sie die Ukraine und den Westen als Kriegstreiber ins Abseits. Ganz klar: wiederholt eine Täter-Opfer-Umkehr! Herr Lüdtke verkennt darüber hinaus, dass es für eine Verhandlungslösung zur Beendigung des Krieges zwingender Voraussetzungen bedarf. Hierzu gehört u.a. die Anerkennung des Staatsgebiets der Ukraine und deren Regierung durch Putin. Solange dies nicht der Fall ist, darf sich die Ukraine - auch mit Unterstützung durch Dritte - im Einklang mit dem Völkerrecht verteidigen. Das Ende dieses Krieges ist gegenwärtig nicht abzusehen. Es könnte jedoch, allein durch den Abzug der russischen Truppen vom Territorium der Ukraine, sofort herbeigeführt werden. Dann wäre der Weg für Verhandlungen wirklich frei.
Andreas Naschke, Kirch Jesar, 19.02.2024