Leserbriefe lesen

Diskurs leben

Seit Wochen lese ich im Blitz stets einseitig und wenig diskursiv die Stellungnahmen zum Ukrainekrieg. Stets das gleiche Narrativ: der Westen trägt Mitschuld und die Ukraine sollte verhandeln. Nicht einmal die Verurteilung der Atomwaffendrohung seitens XI bzw. China wurde da erwähnt. Hat doch damit der russische Angriffskrieg nachweislich einen anderen Hintergrund. Auffällig ist auch die unterschiedliche Meinung in Ost und West. Die pluralistische Demokratie mit verschiedenen Meinungen und Parteien war nach 45 nur möglich, weil es die Philosophie der Kritischen Theorie mit Habermas, Horkheimer und u.a. Agnoli gab. Wäre dem nicht so hätten Adenauer, Globke, Heusinger und u.a. Strauß und Filbinger die NS-Zeit nur variiert. So aber gab es auch mit Wehner, Brandt u.a. stets eine breite Diskussion. Später folgte mit der Studentenrevolte eine weitere Vertiefung des Diskurses mit ökologisch-sozialen Ansätzen auch konkret erlebbar mit Kinderläden, Freien Schulen, Hafenstraße und anderen basisdemokratischen Ansätzen: in meiner Heimatstadt erlebte ich da schon in 60ern zweimal im Jahr eine Bürgerversammlung, auf der konkrete Probleme in der Stadt diskutiert wurden. Bereits in den 70ern folgte in Ellwangen/Jagst als Folge der Vernachlässigung von Frauen eine reine Frauenliste! Als ich 1964 dort in SPD eintreten wollte, sagten mir andere: eine SPD gibt es nur auf dem Papier: einen Beauftragten, der nach dem 17. Juni zu uns kam, den wir aber nicht verstehen. Diese Mitglieder waren beim BHE, dem Bund der Heimatvertriebenen - rechtslastig! Ich holte die verirrten Mitglieder dort raus und gründete den Ortsverein 1964 völlig neu. Wenn wir heute Frieden wollen, muss auch im Sinne einer Kritischen Theorie ein Diskurs geführt werden: - dazu gehört die Feststellung, dass hier im Osten der BRD noch die Tradition gelebt wird, auf Kosten Ostmitteleuropas die deutsch-russische Verständigung zu pflegen! Im Gegensatz zum konkreten Erleben der Aufstände gegen die Sowjetunion: 17. Juni: es gab plötzlich Mitschüler im Gymnasium von dort; Ungarnaufstand: weitere kamen ... und stets folgten Diskussionen auch im Fach Politologie. Den gleichen Prozess erlebte ich im Studium in Karlsruhe: dort gab es das Studium Generale mit Journalisten und Wissenschaftlern aus Prag und Warschau. Ich will an dieser Stelle enden und auf Baerbocks richtige Aussage verweisen, die durch eine längere wissenschaftliche Analyse in der taz belegt wird: die Waffenlieferungen sollen dazu führen, die Ukraine so weit militärisch zu stärken, das Putin Verhandlungen führen muss! Als anerkannter Kriegsdienstverweigerer und Sohn eines Deserteurs - mein Vater desertierte nach wenigen Tagen an der Ostfront zu den ukrainischen Partisanen, jener Gruppe, die mit den Westmächten kooperierte und war bereits am 29.04.1945 wieder in Ellwangen/Jagst und am 02.06.1945 in seinem Amt als Geometer - zuvor entbeamtet.

Herbert Häußer, Crivitz, 01.02.2023

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