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< Zurück zur ÜbersichtDer unterschätzte Komponist
Traditionsgemäß war zum Jahresende die Musikdramaturgin Katja Pfeifer bei der Seniorenakademie zu Gast und stellte uns Felix Mendelsohn Bartholdy (M.) vor (1809/Hamburg – 1847/Leipzig). Schon sehr früh fiel dessen musikalische Begabung auf, die nachhaltig gefördert wurde. Seine gesamte Ausbildung erfolgte durch die Eltern und Hauslehrer, er besuchte nie eine öffentliche Schule. 1827 reichte er als Bewerbung für ein Studium an der Berliner Uni eine in Versform erstellte Übertragung der Komödie „Das Mädchen von Andros“ (Terenz) ein und wurde angenommen. Die Eltern stellten große Anforderungen an seine Leistungen, und dieses hohe Arbeitsethos behielt er sein Leben lang bei. Er beschäftigte sich sehr stark mit Bach. Ab 1823 arbeitete M. an der Wiederaufführung der „Matthäus-Passion“, die am 11.03.1829 100 Jahre nach deren Uraufführung erfolgte. 10 Auslandsreisen führten ihn nach England, er war einer der wenigen deutschen Komponisten, die die englische Musik des 19. Jh. prägend beeinflusst haben. Die Vollendung und Uraufführung seines Oratoriums „Paulus“ 1836, das einen überragenden Erfolg hatte, machte ihn endgültig zu einem der führenden Komponisten Europas. Zentren seiner musikalischen Tätigkeit waren neben England Düsseldorf, Berlin und Leipzig. Durch die fast pausenlose übermäßige Anstrengung in seiner Arbeit litt seine Gesundheit, und 1847 musste er endgültig den Taktstock ruhen lassen. Zu seinen Lebzeiten war M. sehr bekannt, er schien aber immer etwas in der zweiten Reihe zu stehen. Er galt als der Mozart des 19. Jh., war Starkomponist, -pianist und -dirigent. Vor allem mit seinen „Liedern ohne Worte“ (48) schuf M. ein neues Genre. In diesen Liedern war eine große Leichtigkeit, ein elfengleiches Schweben zu hören, was Wagner veranlasste, im Gegensatz z.B. zur eigenen oder Beethovens schweren Musik M. der Oberflächlichkeit zu bezichtigen. Nachdem im Dritten Reich seine Musik verboten und seine Denkmäler geschleift wurden (M. war gebürtiger Jude und sein Vater ließ ihn 1816 christlich taufen), wird heute sein Werk hoch gewertet. Nebst dieser einem deutschen Komponisten bescheinigten seltenen Leichtigkeit und Eleganz in der Satzfügung gilt M. auch als Initiator einer bis heute andauernden Bach-Renaissance. Der Vortag Katja Pfeifers war mit sehr schönen Musikbeispielen unterlegt, und die 74 Musikfans dankten herzlich für das Musikerlebnis. Zum Abschluss wurden 265 Euro für den Bau des Kinder- und Jugendhospizes gespendet. Wolfgang Mengel, Seniorenakademie.
Wolfgang Mengel, Stralsund, 07.12.2022