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Worte und Taten gehören zusammen. Ich kann Herrn Fehrmann sehr gut verstehen. Und ich finde es gut, dass er klar unterscheidet. Das tut leider nicht jeder. Leider gibt es führende Leute in der muslimischen Welt, welche Extremismus und Terrorismus befördern und befeuern. Damit sind wir alle, Nichtmuslime und Muslime, gleichermaßen betroffen. Muslimen müssen jedoch oft ausbaden, was sie gar nicht zu verantworten haben. Pauschalisierungen gibt es viele und sind in sich extremes Denken, denn diese führen zur Entmenschlichung von Millionen bzw. Milliarden. Leider ist es aber nach wie vor schwer zu vermitteln, dass der Islam gar nicht so fremdartig ist und dass der Eindruck, die nicht-extremen Muslime, also die absolute Mehrheit, würde schweigen und nichts tun (und sich nicht integrieren wollen), nicht richtig ist. Es gibt sehr viele Muslime, die Terrorismus und all diese Morde (auch an Muslimen) nicht nur ablehnen, sondern auch etwas dagegen tun. Es gibt immer wieder Fatwas ranghöchster Geistlicher, die sich klar und deutlich gegen Terror und Gewalt im Namen des Islams positionieren. Aber wer kennt schon den Offenen Brief seitens 150 höchster Geistlichen (auch aus Deutschland) an den IS und seinen Anführer al-Baghdadi, in dem 2014 sehr deutlich herausgestellt wurde, dass der IS den Islam vergewaltigt und den Quran missbraucht? Wer kennt schon die Amman-Message von 2004, die von 500 höchstrangigen Geistlichen (auch aus Deutschland) gegen Terrorismus und Gewalt im Namen des Islam mit deutlicher Sprache unterzeichnet worden ist? Das sind nur zwei Beispiele. Auch in Deutschland bleiben die Muslime keineswegs still und tun auch was. Ich bin einer von ihnen, wofür ich nicht selten angefeindet werde. Es gibt auch in Deutschland viele Initiativen und Aktivitäten, oft von muslimischer Jugend organisiert, die genau das tun, was Sie nicht wahrnehmen (können). Es gibt zahlreiche Initiativen, Workshops, Medienprojekte, Veranstaltungen, Aktionen, Demos, Tage der Offenen Tür, …. Es taucht in den Medien einfach nicht auf. Das führt dazu, dass die Menschen es nicht wissen können und das Gefühl haben, die Muslime Deutschlands sagen und tun nichts oder applaudieren gar heimlich. Auch deshalb bin ich hier. Ohne Worte geht es nicht. Ich schreibe gegen die Nichtwahrnehmung schon seit Jahrzehnten an. Mit mäßigem Erfolg, aber ich mache weiter, solange ich kann. Wer etwas nicht kennt, hat Angst davor. Ich kann also nicht anders. Freilich lassen die ständigen Forderungen an die Muslime, sich zu distanzieren, nicht nach. Ich kenne Muslime, die sich nach und nach zurückgezogen haben, nachdem sie sich viele Jahre für Zusammenleben der Menschen engagiert hatten, weil sie resignierten angesichts dessen. Man kann schon manchmal als Muslim das Gefühl haben, dass man tun und sagen kann, was man will, es ändert sich nichts. Es wird nicht zur Kenntnis genommen. Medial ist man nicht anwesend. Man gehört nicht dazu. Und das ist fatal. Das ist es eigentlich, was mich nicht aufhören lässt. Nicht nur für die Muslime, sondern für uns alle. Jeder einzelne kann etwas tun, auch wenn es nur sehr begrenzte Wirkung hat. Ich würde auch gerne wieder Vorträge bei Tagen der Offenen Tür oder bei der Volkshochschule usw. halten, wenn Corona nicht wäre. Unsere kleine Schweriner Gemeinde des Islamischen Zentrums Schwerin, leider z.Zt. ohne Dach, hat auch eine Website und ist auch bei Facebook. Da gibt’s auch immer wieder mal Statements zu Ereignissen, die die Menschen erschüttern. Ich will hier keine Werbung betreiben, aber ich will nur andeuten, dass nicht nichts geschieht in diesem Land. … Muslime sind keine Terroristen. Eigentlich ganz einfach. Für den, der es verstehen will. Der einzig vernünftige Weg ist, mit den Muslimen zu reden, nicht nur über sie. Worte gehören also unbedingt dazu. Nur so können Taten folgen, die uns allen nützen. Ich persönlich bin immer bereit, wenn jemand wissen will.
Haiko Hoffmann, Schwerin, 02.12.2020