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Ungeheuerlichkeiten

Ich finde es unerträglich, wie sehr Geschichtsrevisionismus und Verharmlosung des in nur 12 Jahren der NS-Zeit möglich gewordenen Unvorstellbaren Mode wird. Denn was mag ein Sho'ah-Überlebender fühlen, wenn er Merkel und Hitler in einem Atemzug verglichen hört oder ein junges Mädchen von 11 Jahren auf einer Demo von einem von jemandem verfassten und ihr in die Hand gedrückten Zettel halbwegs stammelnd abliest, dass sie sich wie Sophie Scholl fühle in ihrem Widerstande, wo ihr im Gegensatz zur Nazi-Zeit der Galgen nicht droht und Demokratie anwesend ist. Selbst vor dem Missbrauch eines Kindes schreckt man nicht mehr zurück! Ich fürchte, dass Karl Poppers 1945 warnend geschriebene Worte in seinem Werke "Die offene Gesellschaft und ihre Feinde" aktueller denn je sind, die da lauten: „Uneingeschränkte Toleranz führt mit Notwendigkeit zum Verschwinden der Toleranz. Denn wenn wir die unbeschränkte Toleranz sogar auf die Intoleranten ausdehnen, wenn wir nicht bereit sind, eine tolerante Gesellschaftsordnung gegen die Angriffe der Intoleranz zu verteidigen, dann werden die Toleranten vernichtet werden und die Toleranz mit ihnen.“ „Wir sollten daher im Namen der Toleranz das Recht für uns in Anspruch nehmen, die Unduldsamen nicht zu dulden. Wir sollten geltend machen, dass sich jede Bewegung, die die Intoleranz predigt, außerhalb des Gesetzes stellt, und wir sollten eine Aufforderung zur Intoleranz und Verfolgung als ebenso verbrecherisch behandeln wie eine Aufforderung zum Mord, zum Raub oder zur Wiedereinführung des Sklavenhandels.“ Es muss ein Weg - ob in Berlin, Leipzig oder Schwerin - gefunden werden gegen diese zunehmend gefährliche Entwicklung, um die Menschen zu warnen, dass sie nicht schon wieder Menschenfängern folgen, die wie einst Massen zu Werkzeugen des Unvorstellbaren macht und wo die Angst - schon jetzt Mittel zum Zweck - schon wieder das Prinzip der Beherrschung von Menschen ist, um sie niederzuhalten. Demokratie ist fragil, kann zerstört werden, schleichend und dann irgendwann offen, wenn es zu spät ist. Übrig bleibt nur eine Alternative für Deutschland: Diktatur. ... Der Hass ist das Schmiermittel.

Haiko Hoffmann, Schwerin, 24.11.2020

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