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Wo bleibt die deutsche Souveränität?

Biden hat sich in Berlin verabschiedet. Freundliche Gesichter, Händeschütteln und Dankesworte – das Bild könnte so schön sein, aber es trügt. Die USA bezeichnen sich selbst als für diesen Planeten „unverzichtbar“, deshalb der Kampf um weltweite Dominanz (mit global über 800 militärischen Stützpunkten), die ihnen keiner streitig machen darf. Alle anderen Staaten sind „verzichtbar“, und damit sie sich nicht in die US-Interessen einmischen können, müssen sie sich den USA mindestens unterordnen. Russland wird, obwohl größte Territorialmacht auf Erden, sowieso nicht für voll genommen, denn der große Gegner heißt China. Die US-Basis Ramstein ist der größte USA-Stützpunkt in Europa (natürlich mit Atomwaffen), den man nicht aufgeben will. Im Krieg gegen Russland will man seine Mannen schonen, deshalb die Unterstützung der Ukraine, zu der auch die EU verpflichtet wird. Und Deutschland als Musterschüler ist ganz vorn mit dabei. Nun wird auch noch in Rostock ein NATO-Hauptquartier eingerichtet. Ist der Bundesregierung nicht klar, dass Europa und insbesondere Deutschland bei aller Vasallentreue im möglichen Ernstfall die Zielscheibe sind? Die USA sind weit weg vom Geschehen und die Interessen ihrer Eliten gehen so hoch, dass eine Zerstörung Europas für sie wahrscheinlich nur einen Kollateralaschaden bedeutet, Hauptsache, sie trifft es nicht. Kanzler und Minister haben einen Eid abgelegt, aber so viel Souveränität, um hier eine eigene diplomatische Politik zu verfolgen, wird nicht aufgebracht. Keine deutsche Souveränität im Interesse des deutschen Volkes! Deutschland beteiligt sich ein drittes Mal gegen Russland! Putins Satz: „Jeder, der sie (die Sowjetunion – d.A.)wiederherstellen will, hat keinen Verstand“, sollte Grund zum Nachdenken sein. Unseren Politikern heute fehlt es an Weitsicht. Zwei Äußerungen hochrangiger Politiker sollen angefügt werden. „Die Politik der Vorherrschaft hat keine Zukunft mehr …. Unter den Bedingungen der modernen Welt lassen sich die eigenen Interessen dauerhaft nur durch eine Politik der Zusammenarbeit und des gerechten Interessenausgleichs sichern.“ (H.-D. Genscher 1979). Aus einer „Energieabhängigkeit“ von Russland haben wir nun eine von den USA. Wo ist der gerechte Interessenausgleich für uns, wenn die USA jetzt selbst ihr Frakinggas in Frage stellen? Zum Umgang des Westens mit Politikern, die nicht ins gewünschte System passen und die damit als Feind bezeichnet werden, passt: „Die wichtigste Lektion, die ich in einem langen Leben lernte, ist, dass der einzige Weg, einen Mann vertrauenswürdig zu machen, darin besteht, ihm zu vertrauen, und der sicherste Weg, ihn nicht vertrauenswürdig zu machen, der ist, ihm nicht zu vertrauen und ihm auch noch dein Misstrauen zu zeigen.“ (Henry Stimson, US-Verteidigungsminister 1945). Wenn Deutschland aus diesem Dilemma herauskommen und unabhängig selbst entscheiden will, muss es um seine Souveränität kämpfen. Bekommt der Freund Schwierigkeiten, steckt man als „Freund“ in den gleichen Problemen unabwendbar mit drin. Das kann nicht unser Los sein!

Wolfgang Mengel, Stralsund, 21.10.2024

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