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Die USA vor den Wahlen

Die Seniorenakademie 55 plus Stralsund lud Dr. Pierre Gottschlich von der Uni Rostock mit dem Thema „Die USA vor den Wahlen 2024“ zum Vortrag ein, haben doch die Präsidentschaftswahlen in diesem Jahr nicht nur für die USA, sondern auch für Europa und die Welt eine immense Bedeutung. Sehr gut war sein Einstieg mit 15 Fragen zu Amt und Wahl des US-Präsidenten, die er mit den 46 Anwesenden gemeinsam beantwortete. So wird am 5. November 2024 der 47. Präsident gewählt. Er und auch der Vize müssen mindestens 35 Jahre alt und in den USA geboren sein. Roosevelt war der einzige Präsident mit vier Amtszeiten (das war der Zeit des Faschismus und dem 2. WK geschuldet), danach gab es nur noch max. zwei Amtszeiten. Vier Präsidenten wurden während ihrer Amtsausübung ermordet. Der Wahltag ist immer der Dienstag nach dem ersten Montag im November. Der Sonntag ist gewissermaßen heilig, da passiert nichts, und aufgrund der teils großen Entfernungen zum Wahlort gilt der Montag als „Anreisetag“. Da Anreise, Wahl und Abreise auf Werktage fallen, muss der Wähler das mit seinem Arbeitgeber regeln. Jeder Wahlberechtigte muss sich vorher zur Wahl registrieren lassen, d.h. also auf Eigeninitiative, sonst kann er nicht wählen. Nach Auszählung der Stimmen bekommt der Sieger im jeweiligen Bundesstaat (im aktuellen Fall Harris oder Trump) sämtliche Wahlleute des Bundesstaates. Die Summe der Wahlleute aller 50 Bundesstaaten beträgt 538. Theoretisch hat der Kandidat, der 270 Stimmen auf sich vereinigt, gewonnen. Diese 270 Wahlleute bedeuten jedoch noch keine Sicherheit, weil es auch „Untreue“ geben kann, die bei der Abstimmung der Wahlleute gegen ihren Auftrag (den siegreichen Kandidaten in ihrem Bundesstaat zu bestätigen) stimmen. Die eigentliche Vereidigung des Präsidenten findet erst am 20. Januar des nächsten Jahres statt. Das Wahlsystem in den USA ist sehr kompliziert und reformbedürftig. Zum einen könnte der Präsident ja direkt vom Volk gewählt werden, zum anderen z.B. die Zahl der Wahlleute gesplittet werden, d.h., hat ein Bundesstaat drei Wahlleute, bekommt der Sieger zwei und der Verlierer einen Wahlmann. Eine Wahlreform erscheint z.Zt. recht unwahrscheinlich. Sehr wichtig sind in den USA die im Wahlkampf laufenden TV-Duelle mit teils bis zu 70 Mio. Zuschauern. Dabei achtet man dann auch auf Äußerlichkeiten der Streitenden, die bei Verfolgung übers Radio natürlich nicht zu sehen sind. Trump lehnt im laufenden Wahlkampf ein zweites Duell mit Harris ab. Die berühmte Taylor Swift mit ihren ca. 284 Mio. Followern setzt sich für Harris ein. Das ist nicht unbedeutend, ihre Aufgabe dabei besteht aber vor allem darin, die Wählerinnen und Wähler von Harris am Wahltag auch tatsächlich an die Urne zu bekommen. Wie schon erwähnt, die Anfahrten sind teils sehr weit. Nicht unbedeutend ist Allan Lichtman mit seiner Voraussage „Die Schlüssel zum Weißen Haus“. Um ein Beispiel dafür zu nennen: Schlüssel 11 (von 13): „Außenpolitischer oder militärischer Erfolg: Die Regierung des Amtsinhabers (z.Zt. Biden) konnte einen großen Erfolg in außenpolitischen oder militärischen Angelegenheiten verzeichnen.“ Spräche man das Biden zu, hätte Harris Chancen, spricht man ihm das aber ab, spräche das für Trump. Aktuell würden diese Schlüssel 8:5 für Harris sprechen. Aber die Zeit bis zum 5.11. ist noch weit. Käme es bei den Wahlleuten zu einer Pattsituation (269:269), wird es sehr kompliziert. Jedoch bis zum schon erwähnten 20. Januar muss alles erledigt sein. Es war ein sehr interessanter Vortrag, war doch der eine oder andere Fakt dieses Wahlgeschehens noch nicht bekannt. Der Dank geht an Dr. P. Gottschlich, der seine Darlegungen mit aufschlussreichen Bildern und Schemata unterlegte, und an die Europäische Akademie M-V e.V., die in Zusammenarbeit mit der Landeszentrale für politische Bildung diese Veranstaltung gesponsert hat. Wolfgang Mengel, Seniorenakademie

Wolfgang Mengel, Stralsund, 09.10.2024

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