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Arzneimittelmangel in Deutschland

Seit 2008 wurden in Deutschland rum 30 hochwirksame und zum Teil lebensrettende bzw. lebensverlängernde Medikamente entwickelt. Damit wird die Tradition des deutschen Apothekenwesens und der deutschen Pharmazie, Pharmakologie weitergeführt, die Medikamentenproduktion leider nicht in gleichem Umfang. Welche gesamtgesellschaftlichen Proble­me daraus entstehen, hat die Coro­na-Pandemie eindrücklich gezeigt, und zeigen die regelmäßig, insbesondere jeden Herbst, verbreiteten Schreckgespenster des Arzneimittelmangels. Er wird in allen Medien besprochen von sogenannten Fachleuten, meistens Menschen mit Nullwissen in der Arzneimittelökonomie. Im Übrigen ist auch die Wissenschaftsrichtung »Ökonomie des Arzneimittelwesens« ein in Deutschland, in der DDR, an der Universität Greifswald entwickeltes Fachgebiet. Entsprechend den ökonomischen Gesetzen des Kapitalismus wanderte allerdings die Arzneimittelproduktion aus Deutschland in Länder ab, wo die Herstellung dieser Substanzen mehr Gewinn versprach und auch de politischen Rahmenbedingungen unzureichend waren. Nunmehr versucht die Politik gegenzusteuern und will per Gesetz die Arzneimittelproduktion zurück nach Deutschland holen. Sie will die sogenannten Marktgesetze außer Kraft setzen. Das wird nicht gelingen. Der Mangel an Arzneimitteln wird uns so lange begleiten, bis die Arzneimittelforschung und -produktion in Deutschland wieder eine Einheit bilden, bis sich Forschung und Produktion lohnen. Zugleich müssen »verhökerte« Patente zurückgeholt werden, dies auch mit finanzieller Unterstützung des Staates. Alle Krankenkassen müssen prüfen, welche finanziellen Ressourcen sie bereitstellen können, um Versorgungssicherheit durch Produktion in Deutschland zu erreichen. Es wird mittelfristig nicht möglich sein allen angemeldeten Bedarf an hochwertigen Arzneimitteln zu decken. Es müssen Hilfskonstruktionen gebaut werden. Und gerade bei den Antibiotika ist immer zu prüfen welche Alternativen es gibt. Natürlich soll die Verknappung dieser Medikamente nicht der »Hebel« sein, um die vielfach nicht indizierte und sogar schädliche Verordnung von Antibiotika, denken wir an Antibiotikaverordnung bei Erkältungskrankheiten, zu reduzieren. Auch hier gilt: So viel als nötig, so wenig wie möglich! Vergessen wir nicht die schon angesprochenen Gesetze des Marktes und ihre Lobbyisten: Der Mangel wird zuvorderst von »meiner« Apotheke vor Ort vermittelt. Die sich rasant ausbreitenden Internetapotheken haben kaum Mangelanzeigen veröffentlicht. Es ist dringend davor zu warnen, gerade hochwertige, hochwirksame Medikamente ohne ärztliche Beratung und ohne das persönliche Gespräch mit einem studierten und approbierten Apotheker zu beschaffen und anzuwenden.

Dr. med. Helmhold Seidlein, SoVD – Landesvorsitzender Mecklenburg-Vorpommern , 02.10.2024

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