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< Zurück zur Übersicht"Ich versteh' die Welt nicht mehr..."
„Ich versteh‘ die Welt nicht mehr…“ Diesen Aufschrei vernahm ich gestern Nachmittag beim Begegnungstag der Religionen in Schwerin. Mit tränenerstickter Stimme sagte uns in einer Gesprächsrunde eine junge ukrainische Frau, wie ihr ein Mann auf offener Straße und mit lautstarker Stimme erklärte: „An allem ist doch nur Amerika schuld. Hätte sich der ‚Westen‘ nicht so viel eingemischt in der Ukraine, wäre doch alles anders gekommen. So blieb Putin doch keine andere Wahl.“ Die Gegenfragen der ukrainischen Frau, wer hier wen bedroht, wessen Truppen wo stehen und wer die Infrastruktur eines anderen Landes zerstört, dessen Existenz von Herrn Putin ohnehin nicht anerkannt wird – sie blieben nicht nur unbeantwortet. Sie gingen unter im Lärm und Gedröhn des ‚Besserwissers‘. Womöglich sollte die Lautstärke die Unhaltbarkeit seiner Argumente wettmachen, denn ich gestehe, dass ich angesichts dieser Schilderung gar nicht emotionslos bleiben kann. Aber es ist schon so: Angesichts der russischen Staats-Propaganda und des massiv um sich greifenden Anti-Amerikanismus versagt einem mitunter gänzlich die Sprache. Offensichtlich gehen manch‘ einem – gerade in unseren Breiten - die einfachsten Maßstäbe für die Beurteilung gesellschaftlicher Vorgänge verloren. Lohnend wäre sicherlich eine breit angelegte Analyse dieses Phänomens, die hier nicht geleistet werden kann. Zumal dann, wenn von politischen Kreisen vorgegeben wird, dass man doch eine reale ‚Alternative für Deutschland‘ bereithalte. Oder wenn eine Frau Wagenknecht publikumswirksam schwadroniert, dass man doch wohl nicht auf die russische Energie verzichten könne, wenn keine anderen Ressourcen zur Verfügung stehen. All diesen Leuten – wenn sie denn überhaupt zuhören und verstehen würden bzw. wollten, kann man doch nur eines sagen: In einem staatsmonopolistischen Regime, für das übrigens dieselben ‚Gesetze‘ des Kapitalismus und Imperialismus gelten (wenn es denn gesellschaftliche Gesetzmäßigkeiten gibt!), wie überall auf der Welt, hätten sie ihre anderslautenden Meinungen gegenüber den Machthabern gar nicht zu denken, geschweige zu sagen gewagt. Und bei allem Antiamerikanismus: Ja, es stimmt, es geht immer und überall um Interessen. Aber nur der ‚Westen‘ verbürgt – aufgrund der realen Gewaltenteilung – eine Kompromissgesellschaft, in der die kleineren Übel den größeren vorgezogen werden können. Nur im ‚Westen‘ darf sich eine ‚Alternative‘ organisieren! Denn das haben alle Diktatoren – egal welcher Farbschattierung - immer gewusst, und wir können es heute medial durch die verstörenden Bilder aus China nachvollziehen und nacherleben: Das Machtmonopol des Staates gilt dort. Und zwar uneingeschränkt. Das wurde und wird – da braucht man nicht einmal Lenin gelesen zu haben – auch ganz offiziell als ‚revolutionäre Errungenschaft‘ gepriesen und gefeiert. Meist sehr pompös, mit großer, vom Staat gelenkten, martialischen Aufmachung, beispielsweise in Korea, Russland oder eben in China. Alles Länder, die von ‚lupenreinen Demokraten‘ regiert werden. Es ist vornehmlich die Gewaltenteilung- Exekutive, Legislative, unabhängige Justiz und Meinungsäußerung sowie eine Wirtschaft, die nicht in staatsmonopolistischer Hand ist - was wir dem Westen, und hier vornehmlich Amerika zu verdanken haben. Ohne Amerika wäre doch längst ein großer Teil von Europa von Segnungen des Herrn Putin und seiner Helfershelfer ‚beglückt‘ worden. Wenn jetzt noch einer von ‚dunklen Mächten‘ und von ‚Eliten‘ faselt, die das Weltgeschehen insgeheim lenken, dann kann ich nur noch sagen: „Ich selber bin nicht im Besitz derlei absoluten Wissens. Sorry, für dich ist deine Meinung gut genug.“
Rudolf Hubert, Schwerin, 24.10.2022