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< Zurück zur ÜbersichtWie ein Denkmal langsam entwidmet wird
Das Tradi und seine Schwesternschiffe wurden an der Warnow entwickelt und trotz der bestehenden Mangelwirtschaft der 50er-Jahre sogar 15-mal gebaut. Ein letztes, erhaltenes Schiff der Typ-IV-Serie – die MS »Dresden« – wurde zum Denkmal erklärt und ist jetzt noch vorhanden. Sie ist Zeugnis unserer maritimen Entwicklung, das tausende Menschen als stolze Schiffbauer, Seeleute und Hafenarbeiter verbindet, die die Integration des Schiffes in unsere maritime Kulturlandschaft, auch als Verpflichtung sehen. Umso unverständlicher ist, wenn man dann beim Besuch des Schiffes feststellt, dass Veränderungen, wie zum Beispiel die an den Tourismus angepasste Gestaltung der Offiziersmesse oder der Zustand der ehemaligen Kapitänskammer, getroffen wurden, die nichts mehr mit dem Originalzustand des Denkmals, das wir ja mit dem Schiff vor der Welt präsentieren wollen, zu tun haben, sondern jetzt eher den Geschmack der heutigen Zeit treffen. So hat man es im Laufe der Jahre »geschafft«, das nur noch eine Mannschaftskammer auf dem gesamten Schiff – das ja ein Denkmal (!) sein soll – im Originalzustand erhalten ist. Peinlichster Höhepunkt eines Rundgangs: die Verlegung von Fäkalienleitungen direkt vor die Hauptschaltanlage, was nicht nur ehemaligen Schiffbauern und Fahrensleuten aufstößt, selbst auch ein Verstoß gegen damalige Arbeitsschutzregeln wäre. Es besteht offensichtlich Gefahr für die Exklusivität des Denkmals, wenn solche Gleichgültigkeit (Oder ist es Ahnungslosigkeit?) bei Museumsprojekten möglich ist. Und der Eindruck auf Fachbesucher, denen wir eigentlich zeigen wollen, was wir so drauf hatten, entlockt bei diesem Anblick nur ein mitleidiges Lächeln. Und dann die schockierende Nachricht in der Presse: Statt vollmundiger Versprechen, schwerpunktmäßig maritim- und traditionsgeprägte Veranstaltungen anzubieten, lässt man das wohl nun »den Bach runtergehen« wie ein Hamburger Kapitän es ausdrückte: Es soll ein »cooler« Kletterwald in der Takelage (!) installiert werden, Schlafboxen an Deck aufgestellt und der »Kinderspielplatz Schiff« wird offensichtlich der maritimen Kultur bevorzugt. Das auf unserem Museumsschiff!? Aber »Geschichte ist nicht nur Geschehenes«, deshalb gibt es viele Anregungen von ehemaligen Seeleuten und Gästen, wie die Schaffung eines maritimen Vortrags- und Bildungszentrums, wo zum Beispiel regelmäßig selbst gedrehte Filme von Besatzungen öffentlich gezeigt werden und wo ehemalige Seeleute ihre erlebten Geschichten erzählen könnten. Ein Filmbildarchiv oder maritime Galerie oder, oder …, die jetzt dafür auf der Strecke bleiben. Wir, die Mitglieder des Vereins der Seeleute, sind trotzdem optimistisch und kämpfen um den Erhalt des Schiffes auch als Denkmal und sind natürlich auch weiterhin bereit, zur offenen und ehrlichen Zusammenarbeit.
Stephan Bohnsack, Pressesprecher Verein der Seeleute, Rostock, 26.10.2020