Ein Ehrenamt übernehmen und auszuüben ist löblich. Wenn zur Mithilfe aufgerufen wird, spenden wir gern. Während der vergangenen Monate wurden nach meiner Meinung in unserem Bundesland die Worte ehrenamtlich und spenden zu oft gebraucht. Ich möchte damit ausdrücklich betonen, dass ich dies nicht mit einer Herabwürdigung der Leistung unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger in Verbindung bringe. Ich selbst helfe gern, wenn erwünscht und gebe auch gern, wenn erwünscht.
Wenn allerdings der Eindruck entsteht, dass viele Tätigkeiten, die eigentlich durch Regierungsarbeit zu erledigen wären und es auf entsprechenden Positionen Verantwortliche gibt, durch einen Aufruf zur ehrenamtlichen Tätigkeit unterstützt und erledigt werden sollen, beginnt bei mir nach gemachten persönlichen Erfahrungen die Überlegung.
Wir wollen Menschen in Arbeit, in Lohn und Brot, bringen, die ihnen den Lebensunterhalt sichert. Dass darüber hinaus viele Bürgerinnen und Bürger ihre Freizeit opfern und gesellschaftlich aktiv sind, ist einerseits Privatsache andererseits in unserem Land eine lobens- und ehrenwerte Sache. Wo wären wir, wenn diese Menschen plötzlich sagen würden, jetzt mache ich nicht mehr mit?
Der Fachkräftemangel hat eine Ursache, dass viele Schülerinnen und Schüler im Lesenlernen Unterstützung benötigen hat eine Ursache, dass Pflegekräfte am Limit sind hat eine Ursache – dies nur als Beispiel. Ich erinnere an eine Zeit, an der man Menschen freigesetzt hat. Nun fehlen sie, sind eventuell in fortgeschrittenem Alter. Einige von ihnen bringen sich trotz Rentnerdasein gern ehrenamtlich mit ihren Erfahrungen ein, stehen noch oder schon wieder im Arbeitsprozess. Andere genießen den Ruhestand. Man kommt bei näherer Betrachtung der gesellschaftlichen Umstände nicht umhin zu überlegen, wer nun angesprochen werden soll, wenn es um ehrenamtliche Tätigkeit geht. Unseren sich in Arbeitslosigkeit befindlichen Mitbürgerinnen und Mitbürgern hilft das wenig, sie wollen einen bezahlten Job, möglichst keinen Minijob. Und viele möchten eine entsprechende Qualifizierung und Weiterbildung. Die Pandemie forderte und fordert insbesondere unsere jungen Familien mit schulpflichtigen Kindern.
Nicht selten springen Großeltern ein. Auch für sie ist es eine die Familie unterstützende Tätigkeit, denn eine lohnende, die oft einhergeht mit dem glücklichen Gefühl, sinnvoll tätig gewesen zu sein. Die Leistungen der Großeltern werden durch unsere Gesellschaft noch viel zu wenig beachtet und gelobt. In Betracht gezogen wurde schon einmal ein Großelterntag. Es feiern so viele, warum nicht auch die Großeltern?
Im Grunde genommen ist unsere ganze Gesellschaft eine große Familie. Hilfe ja, Unterstützung ja, aber wo sind die Grenzen? Wer dringend einen Arbeitsplatz benötigt, um über die Runden zu kommen, wird auf Ehrenamtlichkeit nicht viel setzen. Und wenn man sich nicht am Spendenaufruf beteiligen kann, weil man jeden Cent umdrehen muss, fühlt man sich so manches Mal abgewertet.
Wir brauchen in erster Linie Arbeitsplätze! Und Informationen darüber, wie die in Mecklenburg-Vorpommern entstehen sollen. Bunte Bilder in leerstehenden Ladengeschäften machen nicht gerade unsere Wirtschaftskraft deutlich.
Ebenso muss die Bevölkerung darüber informiert werden, wozu eine Ehrenamtskarte gut ist, was man mit ihr in unserer Region Güstrow machen kann, wer sie erhält, ab wann er sie erhält usw. Die Aufrufe zur ehrenamtlichen Tätigkeit würden damit Unterstützung finden.