Angesichts chaotischer Zustände nach dem Abzug der NATO aus Afghanistan übertreffen sich Politiker und Militärs in Ausreden, dass dieser schnelle Erfolg der Taliban nicht absehbar war. Das ist schlichtweg gelogen. Diese Entwicklung war schon sehr lange absehbar. In seinem 2012 erschienenem Buch „Die Welt aus den Fugen“ sagt der erfahrene Journalist und objektive Welterklärer Peter Scholl-Latour das krachende Scheitern der NATO-Militärmission in Afghanistan voraus und begründet es auch. Nach seinen Erkenntnissen aus mehreren Reisen in das Kriegsgebiet und nach Treffen mit verschiedenen Vertretern aller Konfliktparteien hätte es – seiner Meinung nach – schon 2003 jedem erfahrenen Militär und jedem verantwortungsvollen Politiker klar sein müssen, dass dieser Krieg nicht zu gewinnen ist. Die grobe Unterschätzung der Wirkung von Stammes- und Glaubens-Verflechtungen innerhalb der afghanischen Bevölkerung und damit auch in den Regierungs-Streitkräften, der Irrglaube, dass man die Mehrheit der Menschen hinter sich hätte, die schlechte Vorbereitung des Militärs auf einen gnadenlosen Partisanenkrieg sind nur einige der Ursachen des Scheiterns, die im Buch aufgelistet sind. Wie schon im Irak, in Libyen und in Syrien ist auch diesmal der Versuch, anderen Völkern Demokratie mit Gewalt aufzuzwingen, an völlig falschen Lagebeurteilungen und an eigener Selbstherrlichkeit gescheitert.