Franziska Tiburtius – Eine ungewöhnliche Frau! Nach dem Vortrag über C-L-Schleich im Vorjahr referierte Dr. S. Koburger aktuell über die zweite praktizierende Ärztin in Deutschland Franziska Tiburtius (geb. 1843 auf Gut Bisdamitz/Rg., gest. 1927 in Berlin). Sowohl ihr Grab und auch das ihres Bruders Karl auf dem St.-Jürgen-Friedhof in Knieper als auch die nach ihr benannte Straße in Knieper-Nord erinnern in unserer Stadt an diese ungewöhnliche Frau. Nach dem Abschluss der Mädchenschule in Stralsund und einer standesgemäßen Tätigkeit als Lehrerin und Erzieherin hatte ihr Bruder Karl (1834-1910) einen großen Anteil an ihrer Entscheidung für ein Medizinstudium. Da das zu dieser Zeit für Frauen in Deutschland nicht möglich war, ließ sie sich 1871 in Zürich immatrikulieren und bestand die Prüfung 1876 mit „Summa cum laude“. Die notwendige Praxis konnte sie sich in Dresden aneignen, eine Approbation blieb ihr jedoch in Deutschland versagt. Danach in Berlin, zusammen mit ihrer Freundin Emilie Lehmus (1841-1932), der ersten Ärztin in Deutschland, durfte sie auch nicht unter „Dr. med. …“ arbeiten, sie wies sich dann unter „Dr. med. in Zürich“ aus. Beide praktizierten in der Alten Schönhauser Str. 23/24. Da der Titel „Arzt“ an die Approbation gebunden war und diese aber nicht gewährt wurde, waren beide dem Status nach Heilpraktiker. Zusammen mit der deutschen Ärztin Agnes Hacker (1860-1909) eröffneten die Frauen 1908 in Berlin die „Chirurgische Klinik weiblicher Ärzte“, in der sie vor allem Frauen aus den unteren Bevölkerungsschichten behandelten. 1908 setzte sich F. Tiburtius zur Ruhe und bereiste danach Europa, Amerika und Nordafrika. In ihrem Buch „Erinnerungen einer Achtzigjährigen“ (1. Auflage Berlin 1923) lässt sie noch einmal den Blick durch ihr Leben schweifen. Sie sagte selbst dazu: „Mein Leben ist köstlich gewesen, denn es ist Mühe und Arbeit gewesen.“ Heute steht am Grab ihrer Freundin E. Lehmus in Fürth ein wunderschöner Gedenkstein. Ein solcher zu Ehren F. Tiburtius wäre auch bei uns sehr angebracht und wünschenswert. Das ehemalige Bezirkskrankenhaus stiftete 1987 eine Preismedaille, die ab 1988 als Wissenschaftspreis zum Tag des Gesundheitswesens verliehen wurde. Auch der „Stralsunder Philatelisten-Verein von 1946 e.V.“ gedachte F. Tiburtius zu ihrem 75. Todestag mit einem Gedenkumschlag mit der Abbildung der Tiburtius-Medaille. Die 41 Anwesenden dankten Dr. S. Koburger sehr herzlich für ihren aufschlussreichen Vortrag und den Damen der VS Knieperdamm 28, die die Veranstaltung gemäß den geltenden Regeln sehr gut ausrichteten.
W. Mengel, Seniorenakademie 55 Plus Stralsund